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Chiplūn Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Angst vor Salafisten

Liebe Eltern, die ihr den Film “in den Fängen der Salafisten” gesehen habt und die ihr eine Tochter, einen Sohn oder sonst einen Verwandten habt, der zum Islam konvertiert ist oder das zu tun beabsichtigt, bitte lest, was ich euch hier schreibe.


Als Erstes möchte ich, dass ihr wisst, dass ich es keinesfalls gutheiße, dass irgend ein Mensch, welcher Religion er auch immer angehört, über einen anderen Menschen sagt, dieser komme in die Hölle. Und dass ich für friedliche Konfliktlösung bin und gegen jede offensive Gewalt, ganz schweizerisch – wir haben die Armee nur für den Fall, dass wir das eigene Leben verteidigen müssen. Und ich bin auch dagegen, jemanden zu einer Religion zu zwingen, das war schon immer meine persönliche Einstellung und auch der Koran lehrt nichts anderes: «Es gibt keinen Zwang im Glauben». (Al-Baqara 256)

So, und jetzt möchte ich euch ein wenig von der Angst wieder nehmen, die euch dieser Film  möglicherweise oder sogar sehr wahrscheinlich eingeflößt hat:

Nicht jeder Muslim, der ein Häkelmützchen oder einen Bart trägt, ist ein ‘Salafist’; nicht jede Muslima, die ein Kopftuch trägt, eine ‘Salafistin’. Nicht jeder, der euch sagt: “lest doch mal den Koran!” Ist ein Fundamentalist. Nicht jeder Sohn, der seine Zimmertür zumacht zum Beten, ist ein Extremist. Nicht jede Tochter, die konvertiert,  wurde gehirngewaschen. Und wenn ich mich nicht täusche, sind ganz viele sogenannte “Salafis” nichts anderes als eine Art  muslimische “Amish People”, die sich friedlich und ohne aufzufallen möglichst wortgetreu an die Bibel resp. den Koran halten. Ich könnte noch weiter aufzählen, aber ich denke, ihr habt mich verstanden. 

Dieser Film ist tendenziös und undifferenziert. Natürlich gibt es solche Fälle, wie sie da beschrieben werden, so gut wie es unter allen möglichen Gruppierungen , seien es religiöse, politische oder weltanschauliche, Extreme gibt Aber dieser Film macht glauben, dass alle etwas konsequenter praktizierenden Muslime eine Gefahr sind, für sich selbst, die andern und die ganze Welt. Dass nur Muslime, denen man nicht anmerkt, dass sie welche sind, gute Muslime sind. Denn die Eingrenzung der Gefahr auf die “Salafisten” ist nur eine sprachliche – wahrscheinlich wissen die Filmemacher selber nicht recht, was denn nun “Salafisten” eigentlich sind und woran man die wirklich Gefährlichen unter ihnen erkennen kann.

“Sie hat sich total verändert” – sagen die verängstigten Eltern über ihre streng gläubige muslimische Tochter. Nun ja, dass sich ein Mensch, der sich bewusst für eine Religion entscheidet, welche auch immer es sei, dass sich so ein Mensch und seine Einstellung zu seinem Leben verändern ist doch logisch und an sich noch lange kein Grund zur Aufregung. Und viele junge Menschen verlassen ihre Familien, haben andere Lebensanschauungen als ihre Eltern, auch oft aus den umgekehrten Gründen: sie wollen sich aus religiösen oder anderen Zwängen befreien. Vielleicht könnte man darüber auch einmal einen Film machen.

Nein, ich will die Gefahr nicht bagatellisieren, die Geschichte des Jungen ist grauenhaft, und wie eingangs und auch schon andernorts in diesem Blog erwähnt  finde ich es auch furchtbar, wenn selbsternannte Pseudo-Gelehrte jungen Menschen oder sogar Kindern Angst machen, ihnen mit der Hölle drohen und sie in einen Krieg hineindrängen. Aber ich will die Gefahr relationieren: die Chance, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter gleich aus dem Haus geht und von einem Lastwagen überfahren wird ist zig-mal größer, als dass er/sie in “die Fänge der Salafisten” gelangt!
  
Veröffentlicht am 2012-07-17



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12 Antworten zu “Angst vor Salafisten”

  1. konnte doch nicht warten und deinen Blogeintrag zu dem thema gleich lesen;-).
    Du hast es sehr schön geschrieben, insha allah werden viele eltern die möglichkeit haben dies zu lesen.

  2. Assalamu alaikum wa rahmatullahi wa barakatuh liebe Ukhti
    Welchen Film denn?? Ich hab gehört gestern lief etwas über "Salifisten" im TV aber weiß aber auch nicht mehr.
    Kann man sich den Film irgendwo angucken?

  3. Genau, sehe ich auch so!
    Ich finde, man muss auch zwischen den beiden im Film beschriebenen "Fällen" unterscheiden. Der Junge ist ganz klar in den Extremismus abgerutscht. Gestorben in Afghanistan (oder war es Pakistan?)Dass das Fanatismus und ein großes Unglück für die Familie ist, brauchen wir ja wohl nicht weiter zu diskutieren.
    Aber bei der jungen Frau sah es doch anders aus. Sie war volljährig, als sie von zu Hause auszog. Geheiratet hat sie mit 20. Dann gehen die Eltern zur Moschee – gleich mit einem Fernsehteam (!)- und wollten wissen, warum sie übergangen wurden. Welch andere Reaktion als Abwehr ist auf eine solche Aktion denn zu erwarten? Dennoch wurden sie freundlich empfangen. Worte der Mutter: "Er wollte unbedingt freundlich bleiben." Hört sich so an, als wäre ihr unfreundlich lieber gewesen.
    Die Tochter hat ihren Ehemann nur zweimal gesehen vor der Hochzeit. Na und? Arrangierte Ehen sind im Islam üblich. Es kann schief gehen, es kann aber auch genauso gut gehen. Es ist einfach nur anders – nicht besser und nicht schlechter!
    Die Tochter will nicht, dass man ihr zum Geburtstag gratuliert. Geburtstage zu feiern ist im Islam nicht üblich. Warum können die Eltern das denn nicht einfach akzeptieren, anstatt daraus zu folgern, die Tochter sei unglücklich? So ist es doch überhaupt kein Wunder, dass die Tochter den Kontakt zu ihren Eltern einschränkt. Sie haben ihre Wahl doch nie akzeptiert. Von wegen tolerant!
    Übrigens, man sieht die Tochter am Ende ja mal ganz kurz: Sie trägt einen völlig normalen Anorak und ein völlig normales Kopftuch, keine Burka, keinen Ganzkörperschleier. Dass sie mit den Filmemachern nicht sprechen wollte, kann ich sehr gut verstehen.
    Wenn ich mir nur vorstelle, meine Mutter würde hier ständig in der Moschee auftauchen und gegen den Islam wettern… Unmögliches Verhalten!

  4. Salam Chadidscha,

    schön geschrieben! Das Vorgehen der Tochter war natürlich mehr als ungeschickt. Mein Mann hat bei meinen Eltern hoch offiziell vorgesprochen, wie es sich gehört. Auch nichtmuslimische Eltern müssen respektiert werden, und das hat sie nicht getan, und es wäre gut gewesen, wenn man einen nicht-salafistischen Muslim zu Wort hätte kommen lassen, der dieses schiefe Bild geraderückt. Nicht zum Geburtstag gratulieren und so ist extremstes Salafi-Gedankengut, die meisten Muslime sehen das nicht so.
    Jedenfalls war der Film dazu angetan, Ängste zu schüren, obwohl die Zahl der Salafisten verschwindend gering ist, im Vergleich zu anderen Muslimen.

    wa salam

  5. Salam Fatima, mit dem Respekt gegenüber den Eltern hast du Recht. Geburtstage nicht zu feiern kenne ich aber auch von nicht-salafistischen Muslimen. Ich wüsste da einige, hauptsächlich ältere, die traditionell keinen Geburtstag feiern und bei denen ich wetten könnte, dass sie nicht nur keine Salafisten sind, sondern nichtmal wissen, was das überhaupt ist. Also, dass Salafisten sich nicht zum Geburtstag gratulieren heißt nicht automatisch, dass alle sich nicht zum Geburtstag gratulierenden Muslime welche sind. Genauso, wie längst nicht alle Salafisten gewaltbereit sind. Aber das hat Chadidscha ja mit dem Vergleich zu den Amish schon deutlich gemacht.

  6. Ich behalte mir vor, Kommentare, – ob ich sie nun vom Inhalt her für richtig halte oder nicht – nicht frei zu schalten, wenn mir der Ton zu angriffig oder unsachlich erscheint. Besonders, wenn gewisse Ausdrücke enthalten sind, oder wenn die Texte zum großen Teil aus Ausrufe- und Fragezeichen bestehen. Das richtet sich nicht gegen Kommentatoren/Innen oder gegen ihre Meinung. Aber wer mich kennt – und wer mein Blog liest, hat doch ein wenig Ahnung, wie ich so ticke – weiß, dass mir Harmonie und der vorsichtige Umgang mit Sprache sehr wichtig sind. Ich bitte um Verständnis.

  7. Wa alaykum Salam liebe Schwester
    Schade, dass du mich so falsch verstehst. Und wieder das K-Wort benutzt. Wahrheit an sich ist nie angriffig oder unsachlich. Aber der Ton, mit dem sie vorgebracht wird kann für andere – und es lesen auch Nichtmuslime in diesem Blog – hilfreich sein, aber auch provokativ oder gar kontraproduktiv.
    Wenn du magst, schreib mir eine e-mail und wir unterhalten uns darüber. (unter Kontakt) Alles Liebe Chadidscha

  8. Wa salam

    Nein nein, nicht ihr! Diese Kommentare richteten sich an diejenigen Kommentare, die ich eben NICHT freigeschaltet habe :).

    Und danke fürs Posten des Links – wollte ich auch gerade tun!

  9. Ich möchte der Schwester, die heute 28.12.12 hier einen Kommentator abgegeben hat für die Nasiha danken und sie bitten, mich via Kontaktformular persönlich zu kontaktieren, wenn sie möchte, dass ich ihr erkläre, warum ich erstens ihren Kommentar nicht freischalte und zweitens meinen Artikel nicht rausnehme.

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