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Someren Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Islamische Namen. Allerlei Namen.

Wieso arabisieren eigentlich Leute, die zum Islam übertreten, ihren Namen?
In einem Beitrag einer muslimischen Bloggerin wurde von einem kritischen Kommentator diese Frage gestellt. Sie brachte mich dazu, in mich zu gehen und mich zu fragen, wozu ich eigentlich einen islamischen Namen angenommen habe. Ja, einen islamischen, nicht einen arabischen – das mal vorab, es geht hier um Religion, nicht um geografische Zugehörigkeit. Warum ich ausgerechnet Chadidscha gewählt habe, kann unter »Metamorphose» nachgelesen werden. Aber warum überhaupt? Obligatorisch ist es ja nicht.


Der Kommentator in jenem Blog spekuliert:
Es ist doch offensichtlich, dass man durch die Arabisierung die Zugehörigkeit zu einem neuen Kollektiv ausdrücken will. Der Islam ist halt eine arabische Religion.

Auf die falsche Aussage, dass der Islam eine arabische Religion sei, werde ich vielleicht ein anderes Mal eingehen. Heute geht es um Namen. Ich kann hier nur für mich selbst antworten. Besser gesagt, kann es eben nicht – diese Annahme eines islamischen Namens geschah, ohne dass ich es groß hinterfragte. Kann schon sein, dass es da um Zugehörigkeit ging. Darum, dass eine so gewaltige Veränderung in meinem Leben auch eine äußere Manifestation erforderte. Es kann auch sein, dass ich mich anfangs zweigeteilt fühlte und diesem neuen Teil von mir einen eigenen Namen geben wollte.  Einen konkreten Grund gibt es immerhin: Ich konnte ja nicht von Anfang an offiziell zu meinem neuen Glauben stehen, erstens, weil ich vor den Reaktionen meiner Umwelt Angst hatte (berechtigte übrigens) und zweitens, weil es mir, wie »HIER« beschrieben, peinlich war. Außerdem befürchtete ich, dass sich meine Familie für mich schämen würde, und das wollte ich ihr ersparen. Mit dem neuen Namen konnte ich mich im Internet unerkannt bewegen. 

Wie dem auch sei – in der Zwischenzeit habe ich mich ja längst “geoutet”. Denn den Islam kann man nicht ernsthaft ausüben, ohne dass zumindest das nahe Umfeld Bescheid weiß.

Seither wurde ich mehrmals gefragt: “Soll ich dich jetzt Chadidscha nennen? Ich habe auch schon gehört:  “ich vermisse Christine, und Chadidscha ist mir fremd”, und Ähnliches. Ich will euch mal etwas erzählen, etwas über meine vielen Namen:

Damals, vor  60 Jahren und ein paar Monaten, wollten meine Eltern mich “Kristin” nennen. Da dieser “ausländische” Name von der Behörde abgelehnt wurde (damals gab es in Helvetien noch keine Kinder mit Namen Pumuckl oder San Diego…), wichen sie auf “Christine” aus. Da waren allerdings die Geburtskärtchen bereits gedruckt…

Meine  Oma verniedlichte die Christine prompt in “Christeli” (in der Schweiz ausgesprochen Chrischteli”). Dies blieb mir erhalten, bis irgendwann in der Primarschule, als ich kein Chrischteli mehr sein wollte. Nun nannten mich die Lehrer Christine (in meinem Dialekt: Chrreschtinä). Die Freunde verhunzten den Namen zum in der Schweiz ziemlich üblichen “Chrige”. War mir egal – bloß kein Chrischteli.

So – Chchrrege (mit schönem starkem Ch wie bei Chuchichäschtli) bin ich für Familie und Freunde aus der Schulzeit geblieben. Später dazu kommende Freunde nannten mich in der Schweiz Christine – die meisten schweizerdeutsch ausgesprochen, einige wenige eher französisch. Als ich in Spanien arbeitete, war ich Cristina. Hier in Portugal schreibt man den Namen gleich, spricht ihn aber “Krschtiina” aus. 

Bei all diesen Namensänderungen hat sich übrigens nie jemand aufgeregt. Niemand hat gefragt, ob er mich jetzt anders nennen soll.

Was ich am liebsten mag? Eigentlich, wenn jeder es so ausspricht, wie es am besten in seinen Mund passt, damit es sich nicht künstlich anhört. Deshalb sage ich ihn bei Anfrage auch immer so, wie es der Sprache des Gegenüber entspricht. Oder der Religion :-).

Ach ja – da gibt es auch noch die Varianten  “Frau Inácio” oder “Frau Berner” *) – aber so nennt mich mittlerweile höchstens etwa eine freundliche Verkäuferin oder ein Beamter in der Schweiz. Denn hier in Portugal ist es nicht üblich, Frauen mit dem Nachnamen anzusprechen, da bin ich dann einfach Senhora Cristina oder Dona Cristina oder auch mal ganz respektvoll Senhora Dona Cristina (natürlich wird dabei nicht geduzt).

Und jetzt gibt es seit ein paar Jahren noch eine Gruppe von Menschen, Muslime, die nennen mich ganz selbstverständlich Chadidscha. Es passt, es passte von Beginn an, es kam mir erstaunlicherweise nie fremd vor. 

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ich brauchte ja für meine Umra eine Bescheinigung, dass ich Muslima bin. Dem Imam in Lissabon kam die deutsche Umschrift für  خديجةoffenbar komisch vor, und so änderte er den Namen kurzerhand in Khadija. Das Durcheinander mit meinem Namen scheint also Programm zu sein.


Aber geht es nicht auch anderen Leuten ähnlich? Vielleicht nicht so extrem – aber viele haben ja auch noch irgendwelche Übernamen und/oder Nicks, wie man heute sagt. Da fragt auch keiner nach, warum denn und wozu…

Also, liebe Leute, nennt mich wie ihr wollt. 
Namen sind nur Namen. Ich bin ich.

*) Wie man sieht gibt es auch mit meinem Nachnamen  ein heilloses, allerdings bürokratisches Durcheinander. Wie nämlich die Behörden mich erst um meine portugiesische Nationalität betrogen und mir dann den portugiesischen Namen klauten habe ich »HIER« in meinem anderen Blog beschrieben.

  
Veröffentlicht am 2013-06-13



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2 Antworten zu “Islamische Namen. Allerlei Namen.”

  1. Mich nennen alle nur noch Leyla, wenn ich neue Leute kennen lerne dann stell ich mich mit Leyla vor. Nur meine Mama und meine Schwester wehren sich und nennen mich weiterhin beim alten Namen. Ich für meinen Teil liebe es, jetzt anders zu heissen und jemand anders zu sein, meine Vergangenheit hat keine Bedeutung mehr und niemand kann sie mir vorhalten. Ich bin ein anderer Mensch und mit meinem alten Namen verbinde ich mehr negatives als positives. Nicht nur, weil Nicht Muslime einem immer schön alle Fehler vorgehalten haben. Seit ich Leyla bin, seit ich Muslima bin, fühle ich mich mehr geliebt und respektiert als jemals zuvor.

  2. Ein interessanter Artikel! Wollte zu dem Thema auch schon laenger mal schreiben. Ich habe damals meinen Namen nicht gewechselt, weil ich immer noch die gleiche war und das Beduerfnis, eine Veraenderung auch durch meinen Namen auszudruecken, einfach nicht verspuert habe. In meinem Freundeskreis (d.h. unter den "Konvertiten") gibt es beides: deutsche Maryams und muslimische Helens 🙂 Leider habe ich aber auch FReundinnen, die waehrend der Uebertrittszeremonie von Imamen, die sich einen Muslim ohne arabischen Namen offenbar nicht vorstellen konnten, zur Annahme eines zweiten Namens "genoetigt" wurden…

    Bin vor einer Weile mal auf einen sehr interessanten Artikel eines arabischen Imams gestossen, der darin argumentierte, warum er (persoenlich) dafuer ist, dass neue Muslime keinen arabischen / islamischen Namen annehmen. Muss mal schauen, ob ich den noch finde…

    Salams
    Lieselotte 🙂

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