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Ārba Minch’ Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

von Talkshows, Bestsellern und anderen Büchern

Wenn jemand, sei er nun religiös oder nicht, Christ, Atheist oder Agnostiker, einfach jemand, der fast nichts über den Islam weiß, weil es ihn schlicht nie interessierte, der also bis anhin nur am Rande im Fernsehen mitbekommen hat, dass diese Religion offenbar für Frauenunterdrückung, Terrorismus, Krieg, Fanatismus stehe, wenn so jemand, z. B. durch die Konversion eines Familienmitglieds, plötzlich persönlich mit diesem Glauben konfrontiert wird, sich Sorgen macht und sich etwas näher informieren will, wenn so jemand dann verständlicherweise nicht gleich Lust hat, den Koran oder ein dickes detailliertes Fachbuch zu lesen, sondern sich erst mal in einer Buchhandlung umsieht, was findet er dann? Was liegt auf, gut sichtbar? Was wird ihm auf Anfrage geraten?
Im schlimmsten, aber wahrscheinlichsten Fall: Islamkritik. Am besten von Muslimen. Bestseller! Die wird man sich zu Gemüte führen, sich zurücklehnen und denken: “Ich habs doch gewusst. Sogar Muslime sagen das!” Es ist nachvollziehbar, dass man jetzt glaubt, informiert zu sein, genug über diese Religion zu wissen. 
Im besseren Fall empfiehlt man ihm Werke, die einen modernen, aufgeklärten Islam propagieren, ihm das Fremde, das “Übertriebene” nehmen wollen. Diese gut gemeinten Bücher haben, abgesehen davon, dass sie für Laien nicht immer leicht verständlich sind, leider manchmal eine unerwünschte Nebenwirkung, eine ähnliche wie jene Reise ins “Islamgebiet”, wo man den muslimischen Reiseleiter gar nie beten und dafür Wein trinken sah: In den Augen des nichtmuslimischen Lesers bestätigt sich nämlich dessen Ansicht: Man kann auch Muslim/In sein, ohne ständig zu beten. Ohne ein Theater zu machen wegen ein wenig Alkohol oder Fleisch vom Dorfmetzger. Und selbstverständlich ohne Bart und ohne Kopftuch.
Bitte nicht falsch verstehen: Jede/r Muslim/In entscheidet für sich selbst, welche Ge- und Verbote er/sie wie umsetzt und befolgt, jede/r setzt andere Prioritäten. (»Es gibt keinen Zwang im Glauben« Koran, Sure al Baqara 256). Aber ich finde schon, manche Autoren setzen verwirrende Signale, die jene Leute bestärken, die eh schon alle, die es etwas genauer nehmen mit den erwähnten Geboten, in die Islamistenschublade stecken. Sie bestätigen das Vorurteil, dass regelmäßig betende, Kopftuch oder Bart tragende Muslime fanatisch sind und es übertreiben. Und es wird impliziert, dass es für sie ohne Weiteres zumutbar wäre, zumindest auf diese sichtbaren Manifestationen ihres Glaubens zu verzichten.
Fernsehsendungen mit Islamkritikern (und zur abschreckenden Untermalung einem Gesichsschleier in der Runde) tun dann das Übrige. Wenn ich die Gästeliste für die morgen  in der ARD angesetzte Talkshow mit dem quotenträchtigen Titel “Feindbild Islam. Wird der Hass geschürt?” ansehe, schwant mir Böses. Nicht in erster Linie wegen der einzelnen Geladenen, aber wegen der Unausgewogenheit: Kein/e einzige/r Muslim/In mit etwas konservativerer Einstellung ist dabei. Diesmal nicht einmal in (Alibi-)Form eines düsteren Niqabs*) oder eines furchteinflößenden, bärtigen “Salafisten”. (Tschuldigung, ich konnte mir den Sarkasmus nicht verkneifen.)
Leider ist nicht allen Zuschauern bewusst, dass Talkshows (wie das gesamte Fernsehprogramm) in erster Linie dazu da sind, den Sendern Quoten zu bescheren, und manche lassen sich gerne von “fachkundigen Experten” ihre eigene, vorgefasste Meinung bestätigen. Und holen sich vielleicht anschließend eins der Bücher, die in der Show ganz nebenbei promotet werden (von mindestens zwei der Gäste weiß ich, dass sie gerade ein neues Buch herausgegeben haben). Noch mehr Bestseller.
»Mein Buch« ist übrigens keiner. Kein Bestseller, meine ich. Bücher wie meins liegen nicht zuvorderst auf der Theke im Buchladen. Genauer gesagt auf keiner Theke. Noch genauer: Der Laden hat sie gar nicht vorrätig und muss selbst erst bestellen. Mein Buch ist auch kein lautes, kein reißerisches, sondern  ein leises, bescheidenes. Eines, das weder anklagt noch diffamiert noch droht noch lächerlich macht noch anprangert, sondern inschaAllah ein verstehendes, Verständnis säendes. Es möchte einfach jemandem, sei er nun religiös oder nicht, Christ, Atheist oder Agnostiker, jemandem, der fast nichts über den Islam weiß außer dem, was er bis anhin am Rande im Fernsehen mitbekommen hat, so jemandem möchte mein Buch einen etwas anderen Einblick in den Islam geben, durch meine persönliche Erlebnis- und Gedankenwelt hindurch in die Religion der Ergebung **) hinein.
*) Gesichtsschleier
**) “Islam” bedeutet “Ergebung”

Nachtrag vom 10.4.2014: Der “furchteinflößende, bärtige “Salafist” wurde – offenbar in letzter Minute – doch noch dazu geladen. Meine Befürchtungen wurden bestätigt – wie Stimmen zur Sendung und entsprechende Kommentare in der Welt & Co. beweisen.  Hier noch ein Link zu einem guten Artikel zur Sendung, von Emran Feroz im Migazin:
http://www.migazin.de/2014/04/09/mafia-und-islam-einfache-weltbilder/

PS: Bitte entschuldigt die erneute Erwähnung meines Buches. Weil sich so ein “selfpublished book” nicht auch “self promotet” und ich auch nicht in Talkshows eingeladen werde, wo ich es promoten kann, muss ich selber dafür sorgen, dass es nach einem kurzen Hype nicht in der Versenkung versinkt. Dabei hilft natürlich auch eure Weiterempfehlung, sei es mündlich oder durch Verlinkung. Und damit niemand auf den Gedanken kommt, es gehe um Geld, sei erwähnt: Ich kriege gerade mal einen Euro pro Druckbuch… 


  
Veröffentlicht am 2014-04-07



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Eine Antwort zu “von Talkshows, Bestsellern und anderen Büchern”

  1. Salam aleikum ua rahmata Allah,

    sehr schön geschrieben! Ich bin wirklich beeindruckt, mashAllah!

    Möge Allah dir deine Mühe und deine Geduld segnen!

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