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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Abgelehnt.

Heute möchte ich einmal auf die zahlreichen Zuschriften von Leser/Innen bezüglich ihre Erfahrungen mit der nicht-muslimischen Familie eingehen. Es ist nämlich absolut erschreckend, wie viele Konvertierte mit der Ablehnung durch ihre Familien zu kämpfen haben.
Als ich mich selbst damals vor 4 Jahren als Muslimin „outete“ (schon dass dieser Begriff so gut passt, nimmt vorweg, was ich in diesem Beitrag zu sagen habe…) war mir bewusst, dass ich mit dieser Entscheidung anecken, auf Unverständnis stoßen würde. Es war klar, dass man sich um mich Sorgen machen würde – wie man sich halt Sorgen macht, wenn ein Angehöriger plötzlich Mitglied einer „Sekte“ wird (worunter religiös etwas aktivere Gruppierungen, die nicht dem eigenen Glauben (oder Nicht-Glauben) entsprechen, im allgemeinen eingeordnet werden). Man würde glauben, ich sei einer Gehirnwäsche unterzogen worden und man würde mich finanziell ausbeuten, ausnützen und der Familie entfremden.

Ich musste auch damit rechnen, dass mein Partner eventuell nicht damit leben könnte. Hatte ich doch selbst vor noch nicht allzu langer Zeit allen Ernstes zu meiner Freundin, die mit einem Mitglied einer evangelischen Freikirche liiert war, gesagt: „Ich könnte das nie, mit einem religiösen Mann zusammen sein…“.
 
Natürlich – wenn ich ja selbst bis dahin ganz sicher war, Religion sei nur etwas für schlichte Gemüter und ich stünde über solch „naivem Glauben“, dann darf ich mich nicht wundern, dass das ähnlich denkende Umfeld jetzt überzeugt ist, meine zuvor ach so hochgelobte Intelligenz habe sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Da sind Reaktionen wie nachsichtige Duldung mit sarkastischen Bemerkungen, ins Lächerliche ziehen des Glaubens und manchmal auch ein wenig unverhohlene Verachtung vorprogrammiert.
 
Damit kann man leben. Doch es gibt krassere Reaktionen:
 
Für manche Eltern von Konvertierten ist es offenbar viel schlimmer, eine/n Muslim/in als Tochter oder Sohn zu haben als eine/n Drogenabhängigen, eine/n Alkoholiker/in, oder sogar eine/n Kriminelle/n. Letzteren wird – und das ist gut so! – geholfen, während man mit Ersteren am liebsten nichts mehr zu tun haben möchte. Als ob der Glaube etwas Anstößiges, Verwerfliches wäre. Als ob der oder die Konvertierte ihren Angehörigen etwas ganz Schlimmes antäte. Ich kenne einen Fall, wo in der gleichen Familie die alkoholkranke Tochter, die nicht mit Geld umgehen kann, nach Kräften unterstützt wird, während man mit der Konvertierten, die ihr Leben in jeder Hinsicht wunderbar meistert, jeden Kontakt vermeidet.
 
Da gibt es Eltern, die ihre Töchter verleugnen, weil sie nicht wollen, dass „die Leute“ erfahren, dass diese bekopftuchte „Putzfrau da“ zu ihnen gehört. Der Mutter einer Leserin war die Tatsache, dass ihre Tochter zum Islam übertrat, derart unerträglich, dass sie einen Selbstmordversuch beging. Und immer wieder: Kontaktabbruch. 
 
Meist wird die Abneigung gegenüber unserer Religion damit begründet, dass es Muslime gibt, die Furchtbares anrichten auf dieser Welt (als ob das nur Muslime täten), und man beharrt darauf, dass der Islam rückständig sei und Frauen unterdrücke. Selber spüre ich in der Tat nach wie vor etwas Druck – aber nicht von Muslimen…
 
Und das alles ist doch keine Erklärung dafür, dass das Ansehen von zum Islam Konvertierten in den Augen ihrer Familien und eines großen Teils der Öffentlichkeit so extrem schlecht ist. Ich frage mich gerade, was für Schandtaten jemand verüben muss, um so suspekt zu werden wie jemand, der den Islam annimmt. Fällt mir gar nichts ein. Oder nur Dinge, die ich lieber nicht erwähnen möchte. Sogar tolerante Mitmenschen, die an und für sich gar nichts gegen Muslime haben, werden sofort misstrauisch bei Konvertierten – ganz besonders, wenn da nicht ein/e muslimisch/e Partner/In da ist, dem /der man die Schuld geben kann….
 
Nein, es sind nicht alle Leute so ablehnend eingestellt, Gott sei Dank. Aber zu viele. Am meisten Mühe scheinen die sogenannt „Aufgeklärten“ zu haben, Agnostiker und Atheisten, während praktizierende Gläubige anderer Religionen das Glauben an sich nachvollziehen können und deshalb besser damit klar kommen.
 
Wahrscheinlich ist den meisten „Schon-immer-Muslimen“ nicht bewusst, was für Tragödien sich da zum Teil abspielen. In was für einem Zwiespalt viele dieser Neu-Muslime sich befinden. Man liebt doch die Eltern, die Geschwister, die Kinder! Und man möchte von ihnen auch geliebt werden, hat Angst, sie zu verlieren. Man will sie weder beunruhigen noch erschrecken und noch viel weniger will man ihnen Böses antun. Für ihren Seelenfrieden würde man fast alles tun – manche verleugnen sogar ihren Glauben. Man bemüht sich, die Familie nicht nicht mit gottesdienstlichen Manifestationen zu beunruhigen oder zu inkommodieren. Da hört man zum Beispiel von heimlichen Gebeten, eingeschlossen im Badezimmer. Oder davon, dass man auch nach 10 Jahren bei Besuchen im Elternhaus noch immer verschämt sagt „ich bin gleich wieder da“ oder „ich leg mich ein wenig hin“ statt: „Ich geh mal beten“. Man macht dauernd Kompromisse und das Resultat ist ein schlechtes Gewissen, gegenüber den Angehörigen, gegenüber Gott. 
 
Und von jenen, die dabei sind, im Islam die Wahrheit zu entdecken, die aber noch am Anfang stehen, haben manche regelrecht Angst vor einer Konversion – respektive vor der Reaktion des Umfeldes. Wer weiß, wie viele deswegen vielleicht den Schritt gar nicht wagen, oder nach kurzer Zeit aufgeben, oder nur halbherzig dabei bleiben. 
 
Und jetzt noch einmal zum Mitschreiben: Wenn man Muslim wird, wird man in 99.999999 % der Fälle weder zum Terroristen, noch zum Selbstmordattentäter, noch zum IS-Schlächter, sondern man gibt sich in der Regel alle Mühe, ein wenig umgänglicher, bescheidener, anspruchsloser, liebevoller, mitfühlender und hilfsbereiter zu werden, man verzichtet auf Alkohol und sonstige Drogen, zieht sich etwas wärmer an und man verbringt einen Teil seines Lebens mit Gebeten und anderen Gottesdiensten. Was in aller Welt ist daran so furchtbar?
  
Veröffentlicht am 2014-09-03



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7 Antworten zu “Abgelehnt.”

  1. Diese Reaktionen, die Du da beschreibst, sind natürlich hart. Aber reagieren muslimische Familien nicht ähnlich oder noch krasser, wenn ihre Kinder sich einer anderen Religion zuwenden. Ich kenne einen Iraner, der nach seinen Übertritt zum Christentum von der Familie für tot erklärt wurde. Religion ist etwas sehr persönliches, und wenn die eigene von dem eigenen Kind verworfen wird, ist das verletzend, und der Verstand wird erstma ausgeschaltet.

  2. …und jetzt schreibst du als nächstes einen Bericht über die Reaktionen der Muslime (in Deutschland), wenn einer von ihnen sich zum Christentum bekehrt – nur der Vollständigkeit halber… Mal sehen, was dabei heraus kommt.

  3. Ja und dann einen über Buddhisten, die zum Hinduismus konvertieren. Und einen über Juden, die zu Atheisten werden.

    Das sollen die Betroffenen bitte selbst machen! Und es an die entsprechende Zielgruppe adressieren. Dies ist ein Blog, kein Meinungsforschungsinstitut. Ich schreibe hier nur über eigene Erfahrungen und darüber, was mir persönlich erzählt wird. Ich klage ja auch niemanden an, versuche nur, zum Nachdenken anzuregen. Außerdem behaupte ich auch nicht, das Problem bestehe ausschließlich bei Agnostikern, die zum Islam konvertieren.

  4. Hi Chadidscha, nein, niemand verlangt von dir, Aussagen über Angehörige anderer Religionen (außerhalb des Islam) zu machen. Trotzdem liest sich dein Erfahrungsbericht über Reaktionen aus deinem Unfeld ein weng wie eine Anklage an die "intolerante" Umwelt.

    Genau deshalb versuche ich, auch den umgekehrten Aspekt "Muslim verlässt seine Religion und konvertiert zum Christentum" zu thematisieren. Und ich hoffe sehr, du leugnest nicht, dass die Reaktionen aus dem muslimischen Umfeld hierzu wesentlich härter ausfielen, als du es erlebt hast.

  5. Ich denke, der Artikel von Chadidscha hat durchaus seine Berechtigung. Ach so aufgeklärte Agnostiker und ach so tolerante Europäer und ach so pluralistische Westler sind auf einmal ganz anders, wenn jemand seine Freiheit nutzt, um eine richtige Religion anzunehmen statt im Seifenblasen-Materialismus auf sein Begräbnis zu warten.

    Der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist nunmal das Witzige, und der fällt bei Muslimen nicht so bizarr aus.

  6. Genau das ist es doch: Welchen Anspruch, welches Selbstverständnis hat man? Wenn man sich mal nicht so tolerant zeigen möchte, muss man ja nicht gleich mit dem Finger auf die anderen zeigen und meinen, dass es natürlich noch viel schlimmer geht. Erstmal vor seiner eigenen Haustür kehren!

  7. der hauptunterschied in den reaktionen ist doch der, dass ein quasi abtrünniger muslim empfunden wird wie ein abgehacktes glied, das schmerzt.
    beim kufar westlicher prägung hingegen ist es gar nicht die Terrormasche, welche nur bequem und heuchlerisch vorgegeben wird, sondern ein grundsätzlicher tiefsitzender unverhandelbarer Hass gegen den Islam. Mein Sohn Muhammad ist jetzt 20 Jahre alt, bei seiner Geburt gab es keinen Terror. Aber partout durfte man diesen Namen nicht aussprechen, der war des Teufels. Momo und anderes musste herhalten- Weil ich das wusste, gab ich meinem Sohn 4 Namen, Ali Isa Idi Mhd. Er schlägt sich jetzt mit Ali durch… Die grenzenlose Heuchelei, da ist der Unterschied, weil man gleichzeitig die westlichen Freiheiten in den grünen Klee lobt. Da passt was viel Tiefersitzenderes nicht, als bei den Muslimen.

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