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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...
Muhammad, der wandelnde Koran
Anfangs war er für mich nicht mehr und nicht weniger als derjenige, der Gott quasi als Aufnahme- und Wiedergabegerät für Seine Botschaft diente. Zunächst interessierte mich vor allem diese: der Koran.
Ich kann mich auch noch ganz gut erinnern, wie ich einmal – ich weiß nicht mehr, ob es kurz vor oder kurz nach meiner Konversion war – genervt meinte: Da hackt ihr stets darauf herum, wie die Christen Jesus verehren, wo er doch in euren Augen auch „nur“ ein Gesandter Gottes war – und dann geht ihr hin und macht so ein Riesen Aufhebens um diesen Muhammad (s.a.s.). »Wir beten ihn nicht an, halten ihn nicht für Gott oder Seinen Sohn, aber wir lieben ihn«, war die Antwort. »Sollen wir nicht den lieben, der uns Gottes Botschaft überbrachte?«
Naja. Das mag für einen geborenen Muslim ganz selbstverständlich sein: Er wächst mit den Geschichten um den Propheten auf, wie die Christen mit den Jesuslegenden. Sogar „Papierchristen“ , die ansonsten nichts mit Religion am Hut haben, haben dadurch ein positives Bild von ihm abgespeichert. Gläubigen Christen dürfte es erst recht ein Leichtes sein, den Menschen Jesus zu lieben. Bei den Muslimen und ihrem Muhammad (s.a.s.) , ist es sicher genauso.
Aber jetzt sollte ich Ex-Papierchristin plötzlich so einen Araber lieben. Der vor 1400 Jahren gelebt hat, ein Leben, das mir fremd ist, in einem Land, das mir völlig fremd ist (war), aus einem komplett fremden Kulturkreis (…nur so nebenbei: War Jesus nicht ein Aramäer, der noch einige hundert Jahre früher lebte, ein genauso fremdes Leben in einem ebenso fremden Land mit einer ebenso fremden Kultur? Nur weil diese Religion schon länger hier ist kommt niemand auf die Idee, zu behaupten, sie passe nicht hierher…).
Ich schob das Thema beiseite. Ich hatte ja meinen Koran.
Doch da war ja die Sunna. Für die nichtmuslimischen Leser/Innen: Als „Sunna“ bezeichnet man die Gesamtheit der Aussagen des Propheten (s.a.s.), seiner Taten, stillschweigenden Billigungen, seiner Persönlichkeit, der Beschreibung seines Äußeren bis zu seiner Biographie, all dies überliefert in den „Ahadith“ oder, verdeutscht, den „Hadithen“ in sogenannten Isnad (Überlieferungsketten). Es gibt wahrscheinlich – außer dem Koran selbst – kaum Informationen aus früheren Zeiten, die so akribisch von Generation zu Generation überliefert wurden, wie diese Aussagen und Taten des Propheten à»Ketten«.
Und warum ist das für uns wichtig?
Nun, Allah t. fordert uns im Koran wiederholt auf, den Gesandten (s.a.s.) als Vorbild zu nehmen. Hier ein Beispiel:
«Wahrlich, ihr habt für euch im Gesandten Allahs ein schönes Vorbild für alle diejenigen, die auf Allah und den Jüngsten Tag hoffen, und die Allahs häufig gedenken.» (33:21)
Zudem sollten manche Suren und Verse im Kontext der Ereignisse zur Zeit ihrer Herabsendung gesehen werden, können also teilweise ohne diesen Zusammenhang und/oder ohne die präzisen Erläuterungen des Propheten (s.a.s.) gar nicht richtig oder nur unvollständig verstanden werden.
Ich kam also nicht umhin, mich doch mit dem Gesandten (s.a.s.). auseinander zu setzen.
Das erste Buch, das ich mir nebst einer Koranübersetzung „in Papier“ bestellt hatte, war eine Sammlung von solchen Überlieferungen. Unkommentiert. Da waren einige schöne Geschichten dabei, aber es gab auch andere, die mir ziemlich seltsam vorkamen und nicht unbedingt dazu beitrugen, dass ich den Menschen „Muhammad“ näher kennen lernen wollte. Außerdem ist die Art, wie die Geschichten erzählt werden, nicht gerade, sagen wir mal, „erbaulich“. Soundso berichtet dass Soundso sagte dass er gehört habe, wie der Prophet sallallahu alayhi wa sallam zu Soundso sagte… Das ist ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Dann wurden mir – was für eine Fügung… – Bücher mit Hadith-Sammlungen zum Korrekturlesen anvertraut. Diesmal mit einigen kurzen Kommentaren dazu. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Text (inkl. Recherchen, Vergleichen und Nachfragen – man kann nicht etwas lektorieren, das man kaum versteht) kam ich dem Menschen Muhammad (s.a.s.) langsam näher.
Seither las ich auch verschiedene Biographien und sonstige Bücher über den Propheten (s.a.s.). Es gibt welche, die sind zwar weniger trocken – aber dafür umso verklärter, pathetischer und ausgeschmückter, fast schon wieder zu „erbaulich“ geschrieben. Manche leider auch in einem unzumutbaren Deutsch.
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Es lohnt es sich auf jeden Fall, mindestens eine Biographie zu lesen, damit man sich die Ereignisse und das ganze Drumherum in realer zeitlicher Abfolge vorstellen kann. Ich fand Martin Lings „Muhammad: Sein Leben nach den frühesten Quellen“ ganz gut. Interessierte Nichtmuslime lesen für den Anfang vielleicht diesen Essay – ein etwas anderer Ansatz: Hier werden nach einer kurzen geschichtlichen Lagebeschreibung der Prophet (s.a.s.) und sein Umfeld vorgestellt, vor und während des Beginns der Offenbarung, sowie die dazu gehörigen, dem Gesandten (s.a.s.) als erste übermittelten Suren.
Ich beschäftige mich nun nach den Ausflügen in die Biographien wieder vermehrt mit Überlieferungen. Dadurch, dass ich mir den Stoff auf verschiedene Weise wiederholt einverleibte, kenne ich einige der Soundsos inzwischen mit Namen, und an die Gewöhnungssache habe ich mich ganz gut gewöhnt: Ich konzentriere mich auf den Inhalt, statt auf die Form.
So ist mir auf einigen Umwegen das Fremde vertraut geworden, das Ferne ganz nah. Ja, ich habe gelernt, den Propheten (s.a.s.), „dessen schönes Gesicht“ nach einer Überlieferung „leuchtete, als ob es ein Stück vom Mond wäre, wenn er sich freute“, zu lieben. Ihn, den Gott liebt, zu lieben für das, was er war, wie er war, dafür, was er auf sich genommen und worauf er verzichtet hat, um den Menschen Gottes Weg zu zeigen.
«Und Wir haben dich nur als Barmherzigkeit für die Weltenbewohner gesandt.» (Al-Anbiyā‘: 107)
Überhaupt – eigentlich muss man umgekehrt fragen: Wie könnte man ihn nicht lieben, wenn man den Koran liebt? Denn wie antwortete doch Aisha (r), seine Frau, als sie über den Charakter des Propheten (s.a.s.) befragt wurde:
„Er ist ein wandelnder Koran“
Gott segne ihn und schenke ihm Frieden
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