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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...
gar nicht so einfach…
Wir sollen, das wissen wir, im Gebet konzentriert sein. Das, was wir sagen, soll mit unserem Denken und Fühlen übereinstimmen. Wir sollen die reine Absicht haben, unser Gebet nur für Ihn allein zu verrichten („Ichlas“). Wir sprechen Gottes Worte aus, im Wissen, dass Er uns hört und weiß, was wir in unserem Innersten spüren. Was für eine großartige Sache! Eigentlich sollte es im Bewusstsein dieser Tatsache doch ganz einfach sein, sich demütig auf die Nähe zum Höchsten zu konzentrieren.
Ist es aber nicht.
Wir sollen, so heißt es, so beten, als ob wir Ihn sähen („Ihsan“), im vollen Bewusstsein, dass Er uns sieht, uns „näher ist als unsere Halsschlagader“ (Sure Qāf Vers 16). Also so, als ob wir das Unvorstellbare sähen…
Unvorstellbar.
Wir sollen, empfehlen manche Prediger, uns fragen, wie wir uns verhalten würden, wenn wir vor irgend einem „hohen Tier“ stünden, aus der Politik zum Beispiel, oder vor einem Star, den wir toll finden. Oder vor einem Richter, dessen Urteilsspruch wir erwarten. Da wären wir, sagen diese Prediger, automatisch voll auf das Wesentliche konzentriert. Wir würden die Zeit bestimmt nicht vergeuden, indem wir unwichtigen Alltagsgedanken nachhängen. Wieviel einfacher sollte es da sein, uns zu konzentrieren, wenn wir vor dem Allerhöchsten stehen!
Ist es aber nicht.
Dabei haben wir Nicht-Arabisch-Sprachigen eigentlich noch eine kleine Extra-Hilfe: Wir können das, was wir auf arabisch rezitieren, in unserer Muttersprache mit-denken. Also doppelt konzentriert? Schön wär’s. Wie oft spult da hinter diesen beiden Ebenen noch ein ganz anderer „Film“ ab. Was halt gerade so in unseren Gedanken „vorbeikommt“. Und wie oft bemerken wir plötzlich, dass dieser Film sich wieder nach vorne ge– und das Wesentliche fast ver-drängt hat, unser Gebet zum Automatismus geworden ist.
Kennt ihr das Gefühl, eine vertraute Strecke gefahren zu sein und euch plötzlich nicht mehr zu erinnern, wie ihr da und da vorbei gekommen seid, unsicher, ob ihr wohl bei jenem Stop, bei jener Ampel angehalten habt – weil ihr so in andere Gedanken versunken wart?
So ist es zuweilen im Gebet. Plötzlich sitzen wir da, im letzten Taschahud*), und wissen nicht, wie wir dahin gekommen sind, sind manchmal nicht einmal mehr sicher, ob wir auch alle Gebetselemente ausgeführt haben, und erinnern uns – so Gott will – gerade noch rechtzeitig daran, um Vergebung zu bitten und darum, dass Er uns beim nächsten Gebet helfe, die Gedanken beisammen zu behalten.
Natürlich – bei jenem „hohen Tier“ oder vor Gericht haben wir, wenn überhaupt, nur eine einzige Chance – nutzen wir die nicht, ist sie vorbei. Gott jedoch gibt uns so viele Chancen, wie wir wollen. Und es ist tröstlich, nach jedem Gebet denken zu können: „Nächstes Mal mache ich es besser. InschaAllah“. Einmal aber wird es das letzte Gebet sein. Welches – nur Gott weiß es. Möge Er es unser Bestes sein lassen.
aus Hisnul Muslim |
*) Ein Teil des Gebetes, bei dem man sitzt
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Veröffentlicht am 2014-02-21
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2 Antworten zu “gar nicht so einfach…”
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Salam alaikum.
Ein wunderbarer Artikel, maschaALLAH. In seiner Kürze trifft er den Nagel auf den Kopf. Wie oft habe ich genau dasselbe gedacht, mein Gebet ist durch diese gedanklichen "Ausschweifungen" zu einem seelenlosen Automatismus verkommen und zur Zeit habe ich es leider ganz sein lassen… ich hoffe, dass ich bald wieder die Kraft habe, mich im Gebet zu ergeben, inschaAllah.
Danke für den schönen Artikel!
Das Gebet ist ein Gefühl nah bei Allah zu sein. Ein Gefühl sich bei ihm zu bedanken….