Blog
Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...
Glaub doch, was du willst. Oder: Watte und Blei.
Manchmal hört man, ein wenig herablassend bis genervt: „Glaub doch, was du willst, Hauptsache, es tut dir gut“. Das „aber“, das dann meist folgt, soll heute mal nicht Thema sein.
Sondern ich frage: Glaubt man, weil man es will? Glaubt man, weil es einem gut tut?
Konkret: Glauben Gläubige an Gott, weil sie das so wollen, und wollen sie es, weil es ihnen gut tut?
Oder im Gegenzug: Glaubt der Atheist, dass es keinen Gott gibt, weil er das so will und weil es ihm gut tut? Oder glaubt der Agnostiker gar nichts, weil ihm das besser tut tut als etwas zu glauben?
Eben! Diese Art von Glauben hat nichts mit Wollen zu tun. Zum wahrhaftigen Glauben (oder Nicht-Glauben, welcher Religion oder Nicht-Religion auch immer) kann man auch nicht gezwungen werden (das steht übrigens auch im Koran: «Es gibt keinen Zwang im Glauben…Al-Baqara 256), sondern man kann nur selber dazu gelangen, nämlich durch die Überzeugung, dass man die Wahrheit erkannt hat. Alles andere ist allenfalls eine angeborene oder angeheiratete oder anerzogene oder aufgezwungene oder übernommene Religion oder Weltanschauung, die man halt so hat, nach der man sich so mehr oder weniger richtet, weil es die anderen auch tun, aber es ist nicht wirklich überzeugter Glaube. Wobei man selbstverständlich durch angeborene, angeheiratete, anerzogene oder von jemandem übernommene oder sogar aufgezwungene Religion (oder Weltanschauung) zu einer Überzeugung gelangen kann – wahrscheinlich sind das die häufigsten Wege respektive die Anstöße zum Glauben.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand auf die Idee kommt, sich eine Religion wie eine Sportart oder ein neues Sofa nach dem Kriterium „welche tut mir wohl am besten?“ auszuwählen, und diese dann glaubt, weil er das so will. Ist doch absurd.
Also das kann ich euch sagen – ich wollte am Anfang ganz und gar nicht glauben, habe mich gewaltig dagegen gewehrt. Und schon gar nicht „ausgerechnet Islam“! Dass mir das gut tun könnte, auf diesen Gedanken wäre ich damals nicht im Traum gekommen. Ich sah ja all die Pflichten und Unannehmlichkeiten, die auf mich zukamen (und dabei kannte ich damals erst einen Teil davon), wie 5 x täglich beten und dazu arabische Texte auswendig lernen, fasten, mein Gläschen Wein aufgeben und den leckeren Presunto (Rohschinken), mich viel zu warm anziehen – gar nicht zu reden von der zu erwartenden Ablehnung bis Anfeindung durch Familie, Freunde Bekannte – und sogar ganz >>Unbekannte.
Auch als sich dann mein Nicht-Wollen so langsam in eine Art „Müssen“ verwandelte, weil die Überzeugung, die Wahrheit erkannt zu haben stetig anwuchs, als ich also wahrhaftig glaubte und als logische Konsequenz begann, zu beten und zu verzichten und die entsetzte Umwelt von meinem Schritt zu informieren, schien anfangs- zumindest vordergründig – das Ausmaß der Unannehmlichkeiten immer noch bedeutend umfangreicher als die Momente der empfundenen Gottesnähe, auch wenn diese Momente auf der Waage mehr wogen, – das Ausmaß der Watte war im Vergleich zu dem bisschen Blei sehr verlockend….
In dieser Phase war die Versuchung, zum alten Leben zurückzukehren, recht groß. Auch weil die ganze Umwelt ziemlich aufwendige Überzeugungsarbeit leistete. Wenn es nach dem „Wollen“ gegangen wäre, hätte ich spätestens hier den Rückzieher gemacht. Ich habe es ja dem Seelenfrieden der anderen zuliebe sogar versucht – aber ich konnte nicht. Die Überzeugung, der Glaube fühlte sich inzwischen viel zu sehr wie Wissen an – und man kann beim besten Willen nicht aufhören, etwas zu wissen, einfach nur, weil man es so möchte. *)
Nach und nach stellte sich dann heraus, dass es mir tatsächlich gut tat, in der Seele gut tat, und dass ich dieses „gut tun“ auf keinen Fall mehr gegen den Rohschinken und das Glas Wein eintauschen mochte, dass ich den erfüllenden Sinn, den ich gefunden hatte, nicht mehr für ein paar Oberflächlichkeiten des „Dahinlebens“ hergeben wollte. Und ich sehnte mich immer mehr nach diesen Momenten tiefempfundenen Glücks oder Liebe oder Friedens, wie immer man es nennen will, alles zusammen am liebsten, die Nähe zu Gott. Erst jetzt kam das Wollen ins Spiel. Denn jetzt begann ich, alles zu tun zu wollen, um mir meinen Glauben zu erhalten, um ihn zu vertiefen, um mehr solcher Momente zu haben. Eines Tages – inschaAllah – für immer.
so werden sie im (Paradies)garten sein, ewig darin zu bleiben………..»(Hūd: 108)
PS: Die feste Überzeugung, die Wahrheit erkannt zu haben, ist es ja auch, die die Kommunikation unter Anhängern verschiedener Religionen resp. Weltanschauungen manchmal so schwer macht: Jeder, der wirklich glaubt, ist von „seiner“ Wahrheit ganz und gar überzeugt. Man müsste mal so weit kommen, die Tatsache, dass für das Gegenüber die Wahrheit eine andere ist, einfach so stehen zu lassen, das würde viele unschöne Diskussionen ersparen und dem neugierigen Zuhören und Austausch und vielleicht sogar neuen Erkenntnissen Platz machen.*) Da erinnere ich mich gerade an eine Geschichte des Schweizer Schriftstellers Peter Bichsel: „Der Mann, der nichts mehr wissen wollte“, eine Erzählung aus dem Bändchen „Kindergeschichten“. Sehr zu empfehlen, auch die anderen Geschichten, z. B. „Amerika gibt es nicht“ oder „Ein Tisch ist ein Tisch“.
Ähnliche Beiträge
Veröffentlicht am 2013-05-23
Leave a Reply
Eine Antwort zu “Glaub doch, was du willst. Oder: Watte und Blei.”
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen
Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.
Asalamaleikum wrwb
mashallah dein Blog ist wirklich eine Bereicherung. Ich stimme diesem Blogeintrag vollkommen zu.
Ich empfinde das viele Menschen einfach so in den Tag hinein leben und sich gar nicht erst mit Religionen, indem Fall den Islam beschaeftigen wollen. Weil es einfach bequemer ist, das zutun was einem gefaellt.
Ich koennte ja auch ganz einfach mich abwenden oder besser gesagt den Islam ausblenden und machen was ich will. Aber ich will es ja gar nicht, weil ich es nicht uebers Herz bringen wuerde. Ich wuerde alles leugnen von dem ich 100% ueberzeugt bin. Wie koennte ich nicht davon ueberzeugt sein das der Koran die Wahrheit ist und jeder Satz im Koran zeigt mir er ist die Wahrheit. Wie koennte ich einfach uebersehen wie wunderschoen diese Welt und wir Menschen geschaffen sind und dann nicht an Allah glauben? Ich wuerde mich nur selber beluegen.
Ja das Leben kann so einfach sein aber ich entscheide mich fuer die Anbetung von Allah und dem was er dem Menschen auftraegt. Alles andere waere eine grosse Luege und ich koennte niemals innerlich zufrieden sein.
Sumeyya