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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Pingpong

Es ist ja beruhigend, dass ich nicht die Einzige bin, bei der „progressiv vs konservativ“ oder wer lieber mag „orthodox vs liberal“ immer wieder mal ein Thema ist.  Nachdem meine Bloggerkollegin Anisah es wieder aufgegriffen hat (»hier«), und ich Quasselstrippe es einfach nicht schaffe, einen kurzen, prägnanten Kommentar zu platzieren, schreibe ich hier, was mir dazu einfiel.

Anisah fragt: Wer entscheidet, welche Regeln heutzutage wie zu verstehen sind? Ich selbst? Oder irgend eine religiöse Autorität? Welche könnte das sein?


Nun ja,

Mu’awija hielt eines Tages eine Rede, in der er sagte:
„Ich hörte den Propheten, Allâhs Segen und Friede auf ihm, sagen:
«Wenn Allâh jemandem Gutes zuteil werden lassen will, den lässt Er die Religion 
gut begreifen»“ [Sahih Al-Buharyy Nr. 0071]
Diesen  Hadith nehmen sich von der Richtigkeit  ihrer Religionsauffassung felsenfest überzeugte  Muslime gerne als Bestätigung dafür, dass nur ihr Verständnis der Religion das einzig richtige ist. Sie sind ganz sicher, zu denen zu gehören, die Allah die Religion gut begreifen lässt.
(Dies ist) ein gesegnetes Buch, das Wir zu dir hinabgesandt haben, 
 damit sie über seine Zeichen nachsinnen 
und damit diejenigen bedenken, die Verstand besitzen. (Sâd 29) 
Und diesen und ähnliche Koranverse nehmen sich von ihrem Verstand felsenfest überzeugte Muslime gerne zur Rechtfertigung, den Koran selber zu interpretieren resp. an „die heutigen Zeiten anzupassen“. Sie sind ganz sicher, ihrem „gesunden Menschenverstand“ vertrauen zu können und die Zeichen richtig zu deuten.
Andere sind nicht so selbstsicher. Gehören zu jenen, die weder überzeugt sind,  „auserwählt“ zu sein (auch wenn sie es sich noch so sehr wünschen und erbeten) noch ihren Verstand und ihr Wissen für so herausragend halten, dass sie sich trauen, den Koran selber zu interpretieren. Solche, die sich selbst, aber auch die Informationen, die sie konsumieren, immer wieder hinterfragen, die, sobald sie sich in einer Angelegenheit zu sicher fühlen sich fragen, ob nicht vielleicht der eigene Hochmut oder die eigene Bequemlichkeit oder vielleicht doch der Shaytan die Hand im Spiel habe. Oder, wie Anisah es ausdrückt:
Und wenn ich das selbst entscheiden soll – woher weiß ich, wie es gemeint ist? Wie kann ich ausschließen, dass mir Shaytan  und Ego ein Schnippchen schlagen? Wie kann ich sicher sein, dass ich mir die Religion nicht so zurechtbiege, wie es für mich weniger anstrengend ist?

Für solche unsichereren Menschen ist es schwer, zu differenzieren, welche jener felsenfest Überzeugten dies zu recht sind.  Zu diesen Unsicheren gehöre auch ich. Am Anfang fühlte ich mich wie ein Pingpongball, der von den gegensätzlichen aber zum Teil auch durchaus sehr einleuchtenden Texten und Vorträgen jener Überzeugten  hin und her geschlagen wurde.

Inzwischen bin ich zum Schluss gekommen, dass es für mich das Beste ist, mich weder von  den allzu selbstbewussten ‚Konservatoren‘ noch von den ‚Neuinterpretierern‘ zu sehr beeinflussen zu lassen. Natürlich braucht man Anhaltspunkte, Hilfen – es kann ja nicht jeder mal kurz schnell Islamwissenschaften studieren. Aber man soll auch und insbesondere bei diesen von Menschen gemachten Hilfen den eigenen Verstand walten lassen. Es macht nun wirklich keinen Sinn, deren Aussagen und Erläuterungen mehr zu vertrauen als den Worten Gottes in Seinem Buch.  
Immerhin sagt Allah t. mehrmals im Koran: «Und Wir haben den Qur’an ja leicht zum Bedenken gemacht.» Ich persönlich bin je länger je mehr davon überzeugt, dass Allah t. die eindeutigen Verse anders formuliert hätte, (vielleicht mehrdeutig 😉 ) wenn Er dafür verschiedene Interpretationen vorgesehen hätte… Und so gebe ich mir Mühe, die offensichtlichen Gebote und Verbote so gut ich kann jedoch ohne wenn und aber einzuhalten. Die mehrdeutigen – auch hier ist Allah in Seinem Buch  eindeutig: «Aber niemand weiß ihre Deutung außer Allah» (Al-Imrân 7). Und so bleibt mir nichts übrig als zu lernen und mich zu freuen, wenn ich ab und zu ein Aha-Erlebnis habe, weil ich wieder einmal etwas begreife, was mir bisher nicht klar war. Und ich erlaube mir, weiterhin zwar nicht mehr wie der  Pingpongball hin und her zu schnellen, aber doch immer wieder mal leicht hierhin und dahin zu schwanken. Um es wieder mit einem Bild auszudrücken: Mein ‚Glaubensbaum‘ wurzelt fest im Boden, aber er wiegt sich im Wind  :).

Ich erinnere daran, dass ich hier keine allgemein gültigen Statements von mir gebe, geben kann, sondern nur meine persönlichen Gedanken notiere.

  
Veröffentlicht am 2012-11-05



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5 Antworten zu “Pingpong”

  1. Banalste Selbstverständlichkeiten

    (Silvio Gesell: Vorwort zur 5. Auflage der NWO, 1921) "Wenn wir einmal die Natürliche Wirtschaftsordnung erleben, dann braucht man sie nicht mehr in Büchern zu studieren, dann wird alles so klar, so selbstverständlich. Wie bald wird dann auch die Zeit kommen, wo man den Verfasser bemitleiden wird, nicht aber, wie es heute noch geschieht, weil er solch utopischen Wahngebilden nachstrebt, sondern weil er seine Zeit der Verbreitung einer Lehre widmete, die ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht."

    (Dietrich Bonhoeffer: "Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit", 1943) "Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht.
    …Soviel ist sicher, daß sie (die Dummheit) nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. …Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen.
    …Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen."

    Wie viel Dummheit ist nötig, um weiterhin Massenarmut, Umweltzerstörung, Terrorismus und Krieg in Kauf zu nehmen, anstatt die "banalsten Selbstverständlichkeiten" zu verstehen und schon seit einem Jahrhundert in allgemeinem Wohlstand auf kaum noch vorstellbarem technologischem Niveau, einer sauberen Umwelt und selbstverständlichem Weltfrieden zu leben? Drei Jahrtausende Religion:

    3 Verwandlungen

  2. Nun ja – ich verstehe Sie, resp. die zitierten Herren – trotz der 'intellektuell außerordentlich herausfordernden' und ziemlich überheblichen Sprech- resp. Schreibweise (wahrscheinlich soll der 'bockige Dumme' den Text ja gar nicht verstehen…)- ich gehörte vor nicht allzu langer Zeit selbst noch zu den Supergescheiten, die diese Ansichten teilten und ver-teilten.

    Inzwischen kann ich dazu nur eins sagen: auch Dummheit ist relativ…….

    Und: Es waren NICHT die Religionen, die die großen Kriege verursacht haben! Noch nicht mal die Kriege in den muslimischen Ländern haben viel mit Religion zu tun sondern umso mehr mit Öl und Gier und Macht. Man braucht nichts mit Religion am Hut zu haben, um das zu sehen.

    Und für nächstes Mal: solche copy und paste Aktionen sprengen den Rahmen der Kommentarfunktion. Und bitte: Kommentare sollten einen direkten Bezug zum kommentierten Beitrag haben – für die Verbreitung Ihrer allgemeinen Ansichten zum Thema Religion haben Sie ja Ihren eigenen Blog.

    Gruss
    Chadidscha

  3. Nach einer flüchtigen Durchsicht des Materials unseres Freiwirtschaftlers kann ich sagen: Der Mann ist intellektuell außerordentlich beweglich…

  4. Nun, liebe Chadidscha, "Freiwirtschaftler" versteht es ganz offenbar als persönliche Verantwortung "religiösen (d.h. geistigen Toten, egal ob "gläubig oder "ungläubig") (zu) sagen, dass sie krank sind". Und "dumm" obendrein. Bei Widerspruch kann der Herr übrigens sehr ungemütlich werden, was mich angesichts der oben dargestellten These des von mir sehr geschätzten Dietrich Bonhoeffer etwas nachdenklich stimmt. Da ich mich leider häufiger mit atheistisch inspirierten oder (euphemistisch) so genannten "humanistischen" Seiten herumschlagen muss, kann ich an dieser Stelle nur sinngemäß mit Gustav Heinemann sagen: "Wer mit dem Finger auf andere deutet, auf den deuten drei Finger zurück"

  5. Füge dem Namen Mu´âwiya bitte nicht die Ehrung „Allahs Wohlgefallen auf ihm“ hinzu, denn die verdient er nicht! Dr. ´Adnan Ibrahim hat eine ganze Vortragsreihe über den Prophetengefährten Mu´âwiya ibn Abî Sufyân gehalten, und wenn nur die Hälfte seiner Beschuldigungen zutrifft, so reicht das schon, um Mu´âwiya als einen schlechten Menschen, ja sogar Verbrecher, anzusehen, so ähnlich wie Mu´ammar al-Gaddafi oder Saddam Hussein: auch sie waren Muslime, beteten und erfüllten ihre anderen religiösen Pflichten, aber sie waren keine guten Menschen. ´Adnan Ibrahim macht den sunnitischen Muslimen den Vorwurf, theoretisch zwar einzugestehen, daß die Prophetengefährten nicht unfehlbar waren, dann jedoch in der Praxis so zu verfahren, als seien sie unfehlbar gewesen. Daher finden wir nicht wenige Religionsgelehrte, die Mu´âwiya trotz seiner unabstreitbaren Untaten vehement verteidigen. ´Adnan Ibrahim ruft die Muslime dazu auf, sich von solch über Jahrhunderte liebgewordenen, aber falschen Vorstellungen zu trennen.

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