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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Rawda

Von einer denkwürdigen Führung muss ich euch noch erzählen. Ich wollte nämlich wie jeder Muslim, der nach Medina kommt, die »Rawda« (teils wird auch Rauda geschrieben, wer mehr wissen möchte klickt auf den Link), unter der grünen Kuppel im ältesten Bereich der Moschee des Propheten besuchen. Gegen Ende meines Aufenthaltes sollte dieser Besuch stattfinden, und dazu war ein Treffen mit einer Frau vereinbart, die mich führen sollte.
Umm M. kam mit etwas Verspätung: eine ganz kleine, ganz alte (jaja, noch älter als ich!  🙂 ) zierliche Frau mit einem reizenden zahnlosen Lächeln, und ich wurde ihr sogleich übergeben.
Ich musste fast rennen, hinter ihr her, so energisch steuerte sie durch die ganze riesige Moschee hindurch, oder  mindestens die halbe (so kam es mir jedenfalls vor). Sie redete fast ununterbrochen mit mir, aber ich verstand so gut wie nichts. Doch als sie mich spitzbübisch lächelnd zweimal auf irgendwelche aufgerollten Teppiche stehen und über Abschrankungen schauen hieß, da kapierte ich, dass sie mir zeigen wollte, wie da -zig Gruppen von Frauen vermutlich stundenlang darauf warteten, vorzurücken und sich nach und nach der Rawda zu nähern…
Nicht so wir! Wir gingen irgendwie außen herum. Zielstrebig ging Umm M. vor mir her, wurde überall ehrerbietig begrüßt, auf die Stirn geküsst, anstandslos von allen Angestellten durchgelassen, mit mir im Schlepptau. Ich immer hinterher, ziemlich verständnislos aber freundlich lächelnd, wenn sie mir wieder jemanden oder mich jemandem vorstellte. Irgendwann nahm sie mich dann an der Hand und zog mich weiter. Jetzt wurde es abenteuerlich. Wir stiegen über Wartende, schlängelten uns um sie herum, hin und her, die engsten Lücken nutzend, im Storchenschritt, auf Zehenspitzen, wenn immer ich zögerte oder zu stolpern drohte, zog sie mich forsch weiter, irgendwann schaute ich nicht mehr nach rechts und links sondern nur noch auf den Boden und hoffte inständig, inschaAllah niemandem im wahrsten Sinne des Wortes zu nahe zu treten. Und dann waren wir in der Rawda. Ich erkannte es zunächst nur daran, dass hier die Frauen dicht an dicht (da passte kein Härchen dazwischen) beteten. Umm M. zog mich so weit nach vorne, wie es nur ging, dann stieß sie mich in  die 4. Reihe vor der Abschrankung. Salli – bete, sagte sie. Und ich betete, auf so einem winzigen Plätzchen hatte ich noch nie Sujud gemacht. Ich wusste ja, dass es Sunna war, zwei Rakat  zu beten, hier ganz nah beim Grab des Propheten s.a.w.s. . Bei einem Ort, von dem der Gesandte s.a.w.s. sagte: „Was zwischen meinem Haus und meinem Podest ist, ist ein Garten von den Gärten des Paradieses.“ (Überliefert von Al-Buchârî und Muslim)
Nach meinen 2 Rakat schaute ich mich nach Umm M. um. Salli, salli! sagte sie, und wir beteten weiter. Alhamdulillah – denn beim ersten Mal war ich noch so überrumpelt gewesen, dass ich mich gar nicht richtig hatte sammeln können. Ich weiß nicht, wie oft Umm M. mich noch aufforderte, weiter zu beten. Und ich habe keine Ahnung, wieviele Rakat ich betete. Als dann vor uns jemand ging, schubste mich Umm M. resolut nach vorne. Salli! Jetzt hatte ich begriffen: als vor mir wieder eine Frau ihren Platz verließ, brauchte ich nicht mehr geschubst zu werden. Ich war angekommen, in der ersten Reihe. Und ich betete. Und einmal war mir ganz kurz, als hätte mich ein Hauch, ein kleiner süßer Luftzug aus jenem Garten gestreift. Alhamdulillah.
Zuerst wollte ich euch diese Geschichte unbedingt erzählen, einfach weil ich sie nett finde. Als ich dann zu schreiben anfing, fiel mir plötzlich auf, dass hier ein eher lustiges Erlebnis mit sehr bewegenden, spirituellen Momenten verwoben und kaum auseinander zu halten ist. Nach kurzem Zögern habe ich trotzdem oder gerade deswegen beschlossen, den Beitrag frei zu geben. Auch Lächeln gehört zum Islam.
Und nicht zuletzt auch, weil mir erst jetzt, wo ich seit einiger Zeit  wieder zuhause bin, bewusst wurde, wie gut diese Geschichte widerspiegelt, was mit mir seit jenem Ereignis auf dem Balkon passiert. Nein nein, nicht was jetzt Einige denken mögen: da war definitiv niemand, der mich drängte, niemand, der mir drohte, mich missionierte, niemand, der mich vereinnahmte, mich dazu veranlasste, etwas zu tun, zu glauben, was ich nicht wollte oder dem ich imponieren wollte. Ganz im Gegenteil: da waren hunderte Stimmen von Menschen, die mir wichtig sind, die mir zuriefen: Tu das nicht! Du spinnst! Mach bloß, dass du da wieder raus kommst, das ist nichts für dich, etc. etc.

Und doch scheint es, ich wurde an der Hand genommen, gezogen, gestoßen, geschubst, mal sanft, mal energisch, in einem atemberaubenden Tempo, bis ich nach noch nicht einmal 3 Jahren in Medina landete, und in Mekka. Und wieder zurück. Nur Er weiß, wohin es weiter geht.

«Im Namen Allâhs, ich vertraue Allâh. Und es gibt keine Kraft 
noch Macht außer bei Allâh» *)
Ich bitte Ihn um genug Zeit und Gelegenheit, all das, was mir geschenkt wurde und wird, in irgendeiner Form weiterzugeben. Inzwischen tue ich das einzige, was ich kann:

وَأَمَّا بِنِعْمَةِ رَبِّكَ فَحَدِّثْ 
«und was die Gunst deines Herrn angeht, so erzähle (davon)» (Ad-Duhā, 11) 
*) das ist ein Bittgebet aus „Hisnul Muslim“, das man beim Verlassen des Hauses spricht. 
  
Veröffentlicht am 2013-04-25



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3 Antworten zu “Rawda”

  1. As-salamu alaikum!
    Schöner Bericht, Mashallah!
    Aber ich finde diese Absperrung gegen Frauen (was anderes ist es objektiv gesehen ja nicht) trotzdem ein Unding. Man steht dann so zusammengequetscht vor dieser Plasitkwand…und kommt sich, ob man will oder nicht, schon diskriminiert vor. Wenn sie in Medina auf strenger Geschlechtertrennung bestehen, sollen sie halt für den Besuch der Rauda getrennte Zeiten für Männer und Frauen machen und eine bewegliche Trennwand, die man so umstellen kann, dass mal die Männer und mal die Frauen weggesperrt sind. Das ist zwar völlig unnötig, denn in Mekka beim Tawaf herrscht das gleiche Gedränge und trotzdem sind Männer und Frauen problemlos zusammen, aber wenigstens wäre es nicht diskriminierend.
    Ich bin übrigens auch bis in die erste Reihe gekommen, besser gesagt gedrängt worden, und bin froh, dass ich es überlebt habe. Es war so krass, dass man kaum noch Luft bekam. Ich war noch nie in meinem Leben so schlimm eingequetscht. Im schlimmsten Moment habe ich wirklich gedacht, die brechen mir die Rippen. Alhamdulillah, dass ich nicht in Panik geraten bin und da lebend wieder rausgekommen bin. Sollte es mir noch einmal im Leben möglich sein, nach Medina zu kommen, mache ich um die Rauda inshallah einen großen Bogen. Aber vielleicht ist es außerhalb der Hadschsaison nicht ganz so schlimm.

  2. Asalamaleikum,

    mashallah deine Berichte sind immer schoen und ich freue mich sehr, dass du die Moeglichkeit hattest nach Medina und Mekka zu gehen.
    Barakallah feeke fuer diese schoene Zeit die du mit deinen Lesern teilst.
    Moegen deine Schaetze an Erinnerungen dein Herz immer erfreuen amin.

    Sumeyya

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