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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Taraweeh

So, dann werde ich jetzt von meinem allerersten Taraweeh Gebet in der Moschee erzählen. Entgegen meiner Befürchtungen waren ein paar Frauen da. Allerdings war ich als einzige Weiße trotzdem eine Außenseiterin, und ich frage mich schon, warum hier keine  arabischen Frauen zur Moschee kommen – soviel ich weiß, gibt es sie, auf jeden Fall leben hier ziemlich viele Marokkaner. Auch die muslimischen Inder, von denen es nicht wenige gibt, lassen ihre Frauen offensichtlich zu Hause. 


Um 22 Uhr fing es an (noch vor der eigentlichen Isha-Zeit)  und dauerte bis halb zwölf. Der Frauenraum befindet sich auf der anderen Seite des Korridors (es ist eine Wohnung) und die Tür war (meist) geschlossen, aber per Lautsprecher kriegte man mit, dass zunächst jemand etwas auf arabisch sagte, dann ein anderer etwas auf portugiesisch. Anschließend wurden 27 Rakat gebetet (4 Isha, 20 Taraweeh, 3 Witr), alles hintereinander, mit 2 verschiedenen Imamen. Der eine muss einen Weltrekord im Fatiha-Schnell-Lesen haben, und auch sonst wurde recht schnell rezitiert (was durchaus verständlich ist – anderntags müssen ja die meisten wieder arbeiten). Beide lasen jedoch mit angenehmer Stimme ziemlich lange Passagen aus dem Koran. Ansonsten musste man ziemlich flink sein mit Beugen, Niederwerfen und Aufstehen.
Was genau gesagt wurde, konnte man leider nicht verstehen. Denn außer den etwa 8 bis 10 Frauen waren gefühlte 30 (in Wirklichkeit waren es etwa 10) Kleinkinder zwischen 4 Wochen und 4 Jahren in dem Raum. Süße Kinder, die Mädchen sahen zum Knuddeln aus mit ihren schwarzen Hijabs. Alle rannten herum, schrien, lachten, rissen sich an den Haaren, weinten, spielten, fielen hin, rollten Orangen, die dort gelagert waren, durch den Raum, öffneten und schlossen die Tür mit lautem Geknalle (so dass man richtig erschrak). Die Mütter saßen da, die meisten beteten vorwiegend im Sitzen, zwischendurch wiesen sie ihre Kinder zurecht – laut! – unterhielten sich miteinander … 

So war das. Ziemlich schwierig, sich da aufs Gebet zu konzentrieren. Ziemlich schwierig, Gott so näher zu kommen als zuhause allein im stillen Kämmerlein. „Ist doch schön, dass diese Mütter mit ihren Kindern überhaupt zum Taraweeh kommen, sei nicht so kleinlich“ wies ich mich selbst zurecht. „Freu dich lieber darüber, achte nicht darauf und konzentrier dich einfach aufs Gebet“. Aber, ehrlich gesagt, wollte es mir nicht recht gelingen. Das Geschrei und Herumgerenne lenkte mich ab und ich fragte mich, warum die Mütter nicht versuchen, ihre Kinder zu etwas mehr Ruhe anzuhalten, warum sie nicht wenigstens selber leise sind….
Auf jeden Fall verstehe ich jetzt die Notwendigkeit des Frauenraumes. Hätte sich das ganze Theater im Hauptraum abgespielt…
Nun kann ich als Neue und auch sonst als „Andere“ ja nicht hingehen und reklamieren und Vorschläge machen. Aber ich persönlich finde: man sollte den Raum als „Mutter und Kind-Raum“ nutzen, und diejenigen, die ohne Kinder kommen und gerne hören möchten, was der Imam sagt, dürften in den Hauptraum*).
Ich fuhr mit Kopfschmerzen nach Hause. Da es ohnehin dadurch, dass Maghrib ziemlich spät ist und ich noch ein ganzes Stück fahren muss, sehr stressig ist, rechtzeitig zur Moschee zu kommen, werde ich sehr wahrscheinlich nicht mehr hingehen. InshaAllah versuche ich es in den letzten 10 Ramadan-Nächten, wo jeweils zwischen 1 und 4 Uhr gebetet werden soll, nochmal; in der Hoffnung dass um diese Zeit einige der Kinder vielleicht schlafen… 
*) Hier noch ein interessanter Link zum Thema Frauen in der Moschee: „Die Reintegration der Muslima in die islamische Gesellschaft„. Bitte wundert euch nicht, wenn euch da Einiges bekannt vorkommt – der Autor hat ein paar meiner Erfahrungen als Beispiele angeführt.
Weitere Beiträge zum Thema: Gemeinschaftsgebet
  
Veröffentlicht am 2012-07-27



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Eine Antwort zu “Taraweeh”

  1. Asalamaleikum,
    mashaallah 20 rakat taraweeh ist ja viel.In allen Moscheen um uns rum, wo ich wohne, wird nie mehr als 8 rakat taraweeh gebetet.
    Das mit den Kindern kenne ich. Es ist sehr stoerend, wenn die Kleinen ganze Zeit rumrennen. In manchen Moscheen gibt es neben dem Gebetsraum fuer Frauen, noch einen weiteren in dem normalerweise Unterricht gegeben wird. Dort halten sich dann oft die Kinder auf und so ist es dann auch weniger stoerend.
    Weisst du Schwester es ist halt leider oft so, dass Muslime die schon von Anfang an Muslime sind, oft ihre Religion nicht bewusst leben und lernen. Und so wird leider den Kindern nicht beigebracht, dass sie nicht ganze Zeit rumtollen sollen in einer Moschee. Und was die geringe Zahl von betenden Frauen betrifft, liegt das sicher unter anderem daran, weil die meisten kleine Kinder haben und es dann zu stressig ist sie mit in die Moschee zunehmen. Oder weil man ja vermehrt Besuch hat im Ramadan und dann Gaeste im Haus sind und man kann nicht so leicht weggehen.
    Gibt es nur die eine Moschee in deiner Umgebung oder noch andere?
    In Portugal, sind die Moscheen nach bestimmten Nationalitaeten gerichtet? Also Moscheen wo vermehrt Afrikaner oder z.B. Bosnier oder vermehrt Araber hingehen?
    Vielleicht waren deswegen in der Moschee wo du warst keine Marokkaner, wenn du meinst es gebe dort eigentlich viele Marokkaner. Nicht dass das vorbildlich waere, jeder nach seiner Herkunft aber oft habe ich es so erlebt in DE.
    Mashaallah Schwester deine Absicht hat gezaehlt das du dort hin bist und inshallah wird Allah dich reichlich belohnen.
    Schwester verstehst du gut englisch? Ich habe Vortraege von einem Sheikh entdeckt die wirklich sehr schoen sind aber auf englisch.
    Vielleicht gefallen dir seine Vortraege auch, er heisst Sheikh Ismail Musa Menk. Vielleicht magst du ja nach ihm mal googlen.
    Deine Schwester im Islam.

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