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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...
abgekapselt
„Du kapselst dich ab“ „Bist immer zuhause!“ „Hockst nur noch am PC.“ „Liest du eigentlich auch noch mal was anderes als Islamisches?“ „Geh doch unter die Leute, unternimm etwas mit Freunden!“
Manchmal kommt die subtile Anspielung durch. Hast du nicht vielleicht doch versteckte Depressionen? Benutzt die Religion als Vorwand, um sie (die Depri) und die damit einhergehende Ungeselligkeit vor dir selber und den anderen zu verdecken?
Ja. Ich kapsle mich ab. Ja, ich bin fast immer zuhause, allein. Ja, ich verbringe einen Großteil meiner Freizeit am PC und schreibe. Hier bei ‚ausgerechnet Islam‘, was mich im Zusammenhang mit dem Glauben beschäftigt. Im ‚Pausenblog‘ was mir sonst so einfällt – weil ich gerne schreibe. Ersteres brauche ich, als Ventil, als Brainstorming, statt Selbstgespräch, zur Stärkung des Iman (inshaAllah nicht nur meines eigenen) und als Brücke zur muslimischen Welt. Das zweite macht mir vor allem einfach Spaß.
Ja, ich lese noch Anderes. Ab und zu. Selten. Zum Glück habe ich bis zu meiner Begegnung mit dem Islam über 50 Jahre lang Bücher in rauen Mengen verschlungen. So kann ich mich jetzt guten Gewissens mit dem Koran und anderen islamischen Schriften beschäftigen und aufholen. Daneben lese ich zur Zeit „Brida“ von Paulo Coelho (Portugiesisch) und „der Koch“ von Martin Suter (Deutsch). Aber nicht wie früher in einem Zug, sondern ganz gemütlich, immer mal wieder ein paar Seiten.
Und ja – ich gehe nur noch selten „unter Leute“. Ich ging allerdings schon früher nicht soo gern unter Leute wie es vielleicht scheinen mochte – aber ungesellig zu sein hielt ich für eine schlechte Eigenschaft und so versteckte ich sie lieber – vor anderen und vor mir selbst. Wahrscheinlich war es deshalb, dass ich gewisse Hilfsmittel brauchte – Alkohol und Zigaretten und nicht nur. (Heute frage ich mich, wie viele Menschen wohl unbewusst nur aus demselben Grund mittrinken. So richtig schmecken tun die meisten alkoholischen Getränke doch gar nicht! Wem schmeckte schon das erste bittere Bier, das erste Glas „trockener“ Wein? Erst mit der Zeit gewöhnt man sich dran und denkt, es schmeckt, genau wie bei den Zigaretten.)
Aber ich kann mir durchaus ein geselliges Zusammensein ohne Hilfsmittel vorstellen. Mit Gleichgesinnten. Am liebsten natürlich mit solchen, die Wissen haben. Mit denen man diskutieren könnte. Auch gerne kontrovers, darüber zum Beispiel, was denn nun „liberaler“ und „konservativer“ Islam genau sein solle und ob diese Unterteilung wirklich nötig sei. Und warum. Und warum wir nicht einfach alle nur Muslime sein können. Wo denn nun die Pflicht aufhöre und die Sunna anfange – oder wo die Sunna Pflicht sei und wo Empfehlung. Ob alle Salafis(ten) Extremisten seien und ob alle Sufis herumhüpfen. Warum manche „moderne Muslime“ das Beten ziemlich locker nehmen aber beim Fleisch minutiös die geringsten Spuren von nicht Halal-Geschlachtetem vermeiden. Und warum manche „Strenggläubige“ peinlichst genau auf den Hijab ihrer Glaubensgenossinnen achten, aber das mit der üblen Nachrede ziemlich locker nehmen. Ach, ich wüsste so viele Themen, über die ich gerne sprechen würde. Wichtige und weniger wichtige. Zwischendurch würden wir gemeinsam die Gebete verrichten. Spazieren gehen. Tee trinken.
Da diese Idealvorstellungen, die sogar in muslimischer Umgebung nicht besonders realistisch sein dürften, hier völlig utopisch sind, bleibe ich zuhause. Weil die Gespräche über Fußball, Krankheiten und Stammtischpolitik, deren Qualität im Verhältnis zur Zunahme des Alkoholpegels abnimmt, einfach keinen Spaß machen. Da Portugiesen gern und nicht wenig trinken, sinkt das Niveau relativ schnell. Und die Witze kenne ich eh schon alle…
Aber nein, ich habe keine Depressionen. Mir geht es gut. Ich tue fast alles, was ich tue, gern. Nur fühle ich mich ab und zu allein mit meinem Glauben, das negative Feedback aus der Umgebung tut manchmal weh. Auch die Vorfreude auf den kommenden Ramadan wird durch die Aussicht auf das einsame Fasten und Fastenbrechen ein wenig getrübt. Dabei darf man mir ja – sollte ich mal einen schlechten Tag haben, nichts anmerken, sonst heißt es: „selber schuld. Warum tust du dir so was Unsinniges an“. Vielleicht werde ich dann hier wieder einmal ein wenig jammern. Aber in Wirklichkeit ging es mir noch nie so gut wie heute – alhamdulillah. Dass ich überhaupt fasten darf! Dass ich Muslima sein darf! Erfahren darf, dass, auch wenn kein Mensch um mich herum mich versteht, Einer da ist, der „mich weiß„, mich nie allein lässt.
Themen wie die erwähnten werden übrigens gerne in Foren und auf fb diskutiert. An manchen solchen Gesprächen beteilige ich mich, manchmal lese ich nur mit. Leider hat hier das Internet hier seine ziemlich engen Grenzen, man wird schnell falsch verstanden, versteht falsch, manche vergreifen sich im Ton, oft driftet man vom Thema ab und selten wird eine Frage wirklich sachlich durchdiskutiert. Aber es ist besser als nichts. Por enquanto, inshaAllah.
Und jetzt ertönt der Adhan von meinem PC und leicht verschoben derjenige auf dem Handy und es hört sich ein klein wenig an wie damals in Marrakesch, als der Ruf von allen Seiten kam. Und deshalb mache ich Schluss, gehe zum Gebet. As-salamu Alaykum.
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Veröffentlicht am 2012-07-02
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6 Antworten zu “abgekapselt”
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Salam Aleykum liebe Schwester, wie immer sehr schön geschrieben und du schreibst auch wie immer total aus meinem und den Herzen der anderen Schwestern.
Möge Allah dir dafür das Paradies schenken weil du uns verstehst und es so toll in deinen Texten wiedergeben kannst.
Danke, Leyla NOura
as salam alaikum,
mashallah sehr gut geschrieben 😉
Derjenige, der in Depression lebt, ist derjenige, für den dieses kurze Leben, das mit einem Schrei anfängt und mit dem Tod endet, der Anfang, das Ende und das Ziel bedeutet. Du hast bestimmt viel mehr Kontakt mit Menschen als früher 🙂 und natürlich mit Menschen, die dich mögen ohne dich zu sehen oder persönlich kennen zu lernen. Und: die von dir nichts brauchen (Außer: für sie ab und zu zu beten).
Assalamu Aleikum
Wa alaykum as-salam
@Leyla und @ Almas: Ich danke euch!
@Anonym: Wie recht du hast. Und wie schön gesagt. Shukran dir und allen diesen Menschen wa alhamdulillah.
Salam Aleikum
mashAllah immer wieder interessant zulesen was man selbst denkt und das andere es schreiben, gesprächspartner hat man wenige aber dafür eine menge vorurteile untereinander.
"Die Gläubigen sind wie ein Gebäude. Einer stützt den anderen."
(Bukhari, Muslim, Tirmidhi)
—–
Von Abu Musa, Allahs Wohlgefallen auf ihm, der sagte: Einige Leute sagten:
„O Gesandter Allahs! Wer lebt den Islam am besten?“ Er antwortete: „Derjenige, vor dessen Zunge und Hand die Muslime sicher sind.“
(Sahih Bukhary)
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auch für schwestern
Ibn Umar (r) überliefert, dass der Gesandte Allahs (s) sagte: "Ein Muslim ist der Bruder jedes Muslims: Er soll ihn nicht unterdrücken und ihn nicht seinem Feind ausliefern. Wer seinem Bruder hilft, dem wird Allah helfen. Und wer einem Muslim bei der Beseitigung seiner Sorgen hilft, dem wird Allah bei seinen Sorgen am Tage des Gericht helfen. Ebenso wird Allah demjenigen, der die Schwächen eines anderen Muslims verdeckt, am Tag des Gerichts seine Fehler verbergen."
(Al-Bukhari und Muslim)
möge Allah dich beschützen Amin
masallah !
auf der einen seite kann ich dich verstehen. man möchte mit gelcihgesinnten zusammen sein und nicht immer einfach nur ein mitläufer, der sonst nichts zu tun hat.
aber auf der andern seite, lebe ich selber in deutschland, in einer großstadt. hier habe ich die probleme nicht. ich kann raus gehen, mit unterhalten und gesellschaften finden, mit denen ich solche gespräche führen kann. und ich danke gott, dass er mir dir möglichkeit gegeben hat.
ganz viel geduld für doch insallah !