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Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

falsches Bild

Da muss unbedingt mal etwas klargestellt werden.
Dieser Blog ist zwar u. a. eine Art Tagebuch, in dem ich mich mit meinem Glauben auseinandersetze und erzähle, wie ich damit lebe, an einem Ort ohne muslimischen Anschluss und inmitten von Menschen, die meine Konversion – milde ausgedrückt – befremdlich finden.
Aber ein richtiges Tagebuch ist es nicht, denn ganz bewusst behalte ich gewisse Dinge für mich. Private, natürlich, aber auch Glaubensdinge. Zum Beispiel solche, die ich (noch) nicht recht verstehe oder bei denen ich unsicher bin. Wie genau meine „Verbiegungen“ aussehen. Auch, inwiefern ich mich vom „Mainstream-Islam“ (was immer man darunter versteht) in welche Richtung entferne – denn wenn ich etwas nicht mag, ist es, schubladisiert zu werden. Vor allem aber posaune ich meine Verfehlungen nicht hinaus – da halte ich mich an diese Überlieferung:
Jeder in meiner Umma darf mit der Vergebung seiner Sünden rechnen, 
mit Ausnahme derjenigen, die ihre Sünden kund tun. (Abû Huraira, Buchari) 
Dadurch entstand aber offensichtlich ein falsches, viel zu positives Bild von mir – Enttäuschungen vorprogrammiert.
Liebe LeserInnen – ich habe ganz viele Baustellen, charakterliche und religiöse. Baustellen, an denen ich arbeite. Die ich mir manchmal schöndenke. Manchmal sogar zeitweilig zurechtgoogle. Die ich im Großen und Ganzen aber zu eliminieren versuche, mit Gottes Hilfe. Und mit Zeit. (Hoffentlich nicht >23 Jahre…)
Liebe LeserInnen – ich bin in Glaubensdingen auch keineswegs so sicher, wie es vielleicht im Blog zuweilen den Anschein macht, ich weiß ja z. B. nicht einmal, ob ich nicht viel zu wenig tue, denn
Allahs Gesandter (s.a.s) hat gesagt: „Allah spricht: ´Nichts, wodurch Mein Diener sich mir nähert, ist mir lieber, als was ich ihm als Pflicht auferlegte. Doch Mein Diener hört nicht auf, sich Mir durch freiwilliges Tun zu nähern, bis ich ihn (dafür) liebe. Und wenn Ich ihn liebe, dann bin Ich sein Ohr, mit dem er hört, und sein Auge, mit dem er sieht, seine Hand, mit der er etwas greift, und sein Fuß, mit dem er geht.“ (Abu Huraira; Buchari)
oder ob ich es manchmal sogar übertreibe mit dem Gottesdienst, denn
Abu Huraira (r) überliefert, dass der Prophet (s.a.s.) gesagt hat: „Dieser Glaube ist gewiss einfach. Kein Mensch soll sich in Extremen verlieren, was die Angelegenheiten des Glaubens anbelangt, sonst wird ihn die Religion überwältigen. Darum übertreibt nicht und untertreibt nicht, und seid damit zufrieden und sucht Allahs Hilfe im Gebet am Morgen und Abend und im letzten Teil der Nacht.“ (Buchari)
Aber weil ich so gerne möchte, dass Er mein Ohr ist, mit dem ich höre, und mein Auge, mit dem ich sehe, meine Hand, mit der ich greife und mein Fuß, mit dem ich gehe, bemühe ich mich, mich jeden Tag aufs Neue zu bemühen.
  
Veröffentlicht am 2014-12-29



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2 Antworten zu “falsches Bild”

  1. Salam,

    wie schön du das geschrieben hast. Das trifft es einfach perfekt. So fühlen wir uns alle….
    Ich weiß nicht, ob du schon damit konfrontiert wurdest: Viele Nichtmuslime (auch Muslime) konfrontieren einen mit seinen Sünden – getreu dem Motto: "Wenn du doch Muslim bist, warum machst du dann das und das und das…".

    Als müsse man eben der perfekte Muslim sein, unfehlbar… was ja schon daran scheitert, dass man Mensch ist.

    Dahinter verbirgt sich dieses latente: "Wenn du eh schon das und das machst (Sünden), dann kannst du auch gleich das und das (Pflichten) sein lassen".

    Und wenn man das dann logisch durchdenkt, dann (jetzt komme ich zu den muslimischen Kritikern) habe ich überhaupt kein Problem mit

    Oben Mekka
    Unten Paris

    Lieber nur "oben mekka" als "Unten UND Oben paris".

    Natürlich kann man jetzt davon reden, dass man bei so einem Kleidungsverhalten islamische Kleidungsstücke (den Hijab) "entweiht", wenn man dann dazu einen Minirock trägt (ich muss in Extremen schreiben!), aber diese Person darf nicht dafür verurteilt werden, dass sie wenigstens das eine praktiziert.

    Ich habe jetzt etwas "unsauber" geschrieben – hoffe, dass du mich dennoch verstehst. Sehe es mir nach. Inshaallah

    Beslama
    Shakir

  2. Hallo Christine,
    ein schöner Blog, der mich sehr berührt hat, weil ich in ähnlichem Alter wie du – ebenfalls "gerufen" wurde, ohne es nur im geringsten zu beabsichtigen und noch unspektakulärer als du: ich wollte mir nur ein eigenes Bild vom Islam machen, über den so viel geredet wurde. Hatte gehört, man müsse dazu alle möglichen Überlieferungen kennen und wusste nicht welche. Lief jemandem – Muslim – über den Weg, fragte, und war veblüfft, dass er mir "nur" die Lektüre (in deutsch, ich kann kein arabisch) und das Anhören der Rezitationen (arabisch) empfahl – das aber täglich am Stück ( ca. 1 Monat lang ca. 1,5 Stunden = komplett) und das insgesamt 3mal mit einer Woche Pause dazwischen, um sich in den Pausen möglicher Veränderungen bewusst zu werden. Das war alles…:)
    Es scheint so zu sein, dass Koran – egal in welcher Sprache und Übersetzung! – die Macht hat, von denen verstanden zu werden, für die er bestimmt ist. Ich bin dankbar, dass ich dazu gehören darf.

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