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Chennevières-sur-Marne Gedanken und Erfahrungen von einer, die fand, Religion sei nur etwas für schlichtere Gemüter - und dann
zum Islam konvertierte. Ausgerechnet ...

Schizophren. Und: I am the world.

Sind wir nicht eine schizophrene Gesellschaft?

Seit Jahrhunderten beuten wir Länder aus. Erst eroberten und erniedrigten wir sie, bestahlen sie, teilten sie unter uns auf und zogen unnatürliche Grenzen mitten durch Stammesgebiete  und – wo immer möglich – zwangen wir ihnen das Christentum als Religion auf. Und dann unsere (wie wir meinen) einzig seligmachende konsumorientierte Lebensweise. Irgendwann gaben wir ihnen großzügig oder gezwungenermaßen die Unabhängigkeit. Vielerorts eine Pseudounabhängigkeit, die uns erlaubt, sie weiterhin auszubeuten: Dank cleveren Verträgen mit despotischen Regierungen sichern wir uns ihre Ressourcen, ja wir klauen den Ärmsten sogar das Wasser, um es in elegante Flaschen abgefüllt teuer an Leute zu verkaufen, die es gar nicht bräuchten, weil bei ihnen sauberes Wasser aus dem Wasserhahn läuft. Wir nehmen ihnen ihr Land weg, um riesige Plantagen anzulegen, auf denen sie Sklavenarbeit verrichten dürfen, während wir sie mit Missbildungen verursachenden Giften besprühen, damit wir möglichst billig möglichst viele Steaks auf unsere Teller kriegen. Wir lassen ihre Kinder unter menschenunwürdigen, krankmachenden Arbeitsbedingungen zu Hungerlöhnen unsere Teppiche und billige Kleider und was auch immer produzieren. Und wir verdanken einen schönen Teil unseres westlichen Wohlstandes der Tatsache, dass wir ihren despotischen Regierungen Waffen zum Bekriegen ihrer eigenen Völker verkaufen und, wenn es sein muss, helfen wir ihnen ganz gerne auch mit militärischen Einsätzen und töten dabei per Knopfdruck versehentlich mehr Zivilisten in einem Monat als alle linken, rechten und muslimischen Terroristen zu allen Zeiten insgesamt.

Wir haben aber – und das ist unser zweites Gesicht –  auch jede Menge Mitgefühl. Wir betreiben Entwicklungshilfe, wir organisieren große Sammelaktionen, wir bauen Brunnen und Bewässerungssysteme, richten Schulen ein und Krankenhäuser und Stiftungen, und wir veranstalten Charity-Bälle. Wir setzen uns ein gegen Genitalverstümmelung und Frauenunterdrückung, wir schreien auf, wir sind wütend über soviel Ungerechtigkeit,  und wir helfen und manche von uns heißen Menschen willkommen, die dem von uns produzierten Elend entfliehen. Wir leiden mit ihnen und sind solidarisch – wenn auch mit den einen Opfern mehr als mit anderen –  und posten Aufrufe auf Facebook und schreiben Blogartikel…

Ja, ich weiß, das hörte sich jetzt ziemlich zynisch an, das sollte es eigentlich gar nicht, denn es gibt wirklich viele Menschen, die diese grausame Ungerechtigkeit aus tiefstem Herzen verabscheuen, man steht ihr aber einfach so furchtbar hilflos gegenüber, dass man fast verzweifeln könnte! Es ändert sich ja nichts!

Denn wenn ich auch nichts von Verschwörungstheorien halte, habe ich doch das Gefühl,  dass bei den allermeisten Entscheidungsträgern bei den allermeisten ihrer Entscheidungen und Maßnahmen an allererster Stelle nach wie vor wirtschaftliche Eigeninteressen stehen. Gegen diesen Eindruck vermögen auch die vielen Krokodilstränen, die gerade geweint werden, nichts auszurichten. Ich glaube zwar nicht – will es nicht glauben – dass so grausame Taten, wie sie gerade verübt wurden, bewusst in Kauf genommen oder sogar aktiv provoziert werden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es Leute gibt, in der Waffen-, Sicherheits- und vermutlich auch in der Ölindustrie, skrupellose Leute, genauso skrupellose wie die Terroristen selbst, aber in schicken Anzügen und mit Beziehungen zu hochrangigen Politikern, Leute, die sich gerade mit französischem (!) Champagner zuprosten und sich auf die Geschäfte ihres Lebens freuen.

Kann man sich da ernsthaft wundern, dass die ganze himmelschreiende, von uns humanistischen, aufgeschlossenen, gebildeten, freien modernen Menschen stillschweigend zum eigenen Vorteil und aus Bequemlichkeit in Kauf genommene weltweite Ungerechtigkeit einen Teufel gebiert? Einen satanischen Staat! (Bitte bitte nennt ihn nicht islamisch – es ist schlimm genug, dass sie das selber tun!)

Er ist sehr clever, dieser Teufel. Schamlos missbraucht er den Namen der einen Religion und versetzt die anderen dadurch in vermeintliches, scheinheiliges Recht. Und er wird es sich nicht nehmen lassen, den Entscheidungsträgern mehr Krieg schmackhaft zu machen, die Aussicht auf Ankurbelung der Waffengeschäfte ist wahrscheinlich einfach zu verführerisch. So wird er die Zwietracht weltweit vergrößern und noch viel mehr unschuldige Opfer verursachen.

Ist es nicht seltsam, dass es so schwer sein soll, herauszufinden, wer dem IS das Öl und die Kunstschätze abkauft und ihn mit Geld und Waffen versorgt?  Das zu unterbinden wäre doch viel einfacher und effektiver als Luftangriffe. Und unblutig. Und billiger. (Aber weniger lukrativ). Ich kann einfach nicht glauben, dass man mit den heutigen Möglichkeiten der Nachrichtendieste und Überwachungssysteme nicht schon längst weiß, was Sache ist.

So. Jetzt, jetzt habe ich mir einiges von der Seele geschrieben, fühle mich etwas besser. Nicht viel, aber ein wenig. Natürlich hoffe ich, dass der eine oder andere Leser, der – ganz wie es der Teufel geplant hat – den Grund für die ganze Misere beim Islam und den Muslimen sucht, seine Schuldzuweisungen nochmal überdenkt und auch nicht vergisst, dass die Flüchtlinge vor dem gleichen Teufel fliehen, dem gleichen Krebsgeschwür, dessen Metastasen in Europa jetzt aufzubrechen beginnen.

Eins noch: Ich habe großes Mitgefühl mit den Opfern und deren Angehörigen in Paris. Trotzdem bin ich nicht Paris und ich werde auch mein Profilbild nicht bleu-blanc-rouge einfärben. Das ist noch so eine Sache, die mich bei aller Anteilnahme gewaltig stört: Dass manche Opfer offenbar weniger Mitgefühl wert sind als andere.

Nein, ich bin nicht Paris. Wenn schon, bin ich die Welt – wir sind alle betroffen! Gott stehe uns allen bei.

Ich werde jetzt versuchen, mich wieder mehr auf das Positive, auf das Schöne in dieser Welt zu konzentrieren.

Davon demnächst, inschaAllah.

Hier noch eine profilbild-taugliche Version des “I am the world” – Globus – wer mag, darf es gerne übernehmen:

  
Veröffentlicht am 2015-11-18



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2 Antworten zu “Schizophren. Und: I am the world.”

  1. salamu aleykum,

    Das ist nicht zynisch. Es ist eventuell sogar untertrieben.

    Ich bin in ein muslimisches Land ausgewandert.
    Ich wollte Kork fuer die Isolation eines Zimmers kaufen. Als ich im Internet danach suchte war ich sehr ueberrascht zu lesen dass dieses Land 3. groesster Exporteur in Kork ist. Aber es ist KEIN KRUEMEL Kork im Land selber zum kaufen. Nichts! Nicht mal einen Flaschenkorken!

    Ebenso Biodatteln die das Land neben konventionellen produziert. Aber kaufen koennen wir hier nur die konventionellen, die Biodatteln gehen alle nach Frankreich!

    Ich bin ganz gewiss nicht Frankreich, so ein Un-Sinn. Nur leeres Gerede.

    Das bringt die Toten nicht zurueck. Es nuetzt den hinterblieben Familien nicht und gibt ihnen kein Trost.
    Und sorgt nicht fuer Gerechtigkeit. Es symbolisiert eher den Zusammenhalt in ausschliesllich nationalen Grenzen.

    Einen schoenen Tag geehrte Schwester und danke dass du die Dinge beim Namen genannt hast.

    Yusra

  2. "Seit Jahrhunderten beuten wir Länder aus. Erst eroberten und erniedrigten wir sie, bestahlen sie, teilten sie unter uns auf und zogen unnatürliche Grenzen mitten durch Stammesgebiete und – wo immer möglich – zwangen wir ihnen das Christentum als Religion auf. "

    Falls du hier die heutigen islamischen Länder meinen solltest, so solltest du doch wissen, dass das Christentum vor dem Islam dort war und im Laufe der Jahrhunderte von islamischer Expansion verdrängt wurde. Es ist also gerade anders herum als von dir beschrieben…

    "Kann man sich da ernsthaft wundern, dass die ganze himmelschreiende, von uns humanistischen, aufgeschlossenen, gebildeten, freien modernen Menschen stillschweigend zum eigenen Vorteil und aus Bequemlichkeit in Kauf genommene weltweite Ungerechtigkeit einen Teufel gebiert?"

    Wieder falsch. Islamistischer Terror vom Schlage des IS will die Welt beherrschen.

    "So. Jetzt, jetzt habe ich mir einiges von der Seele geschrieben, fühle mich etwas besser. Nicht viel, aber ein wenig."

    Na, dann ist es ja wieder gut. Nur: Wir glauben eich nicht. Ihr müsst tiefer graben.

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